Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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im Latein die letzte Stütze ihres Ansehens wanken sieht, und warum 
sie diese heilige Sprache als Scheide ansieht, in welcher das Schwert 
ihrer Rechtsweisheit stecke. Eine Scheide ist es nun wohl —- dieses 
Latein; aber darinnen steckt Nichts, womit sich ernsthaft fechten 
liesse. Wer nicht schon vor der umgehängten Scheide Respect be- 
kommen will, braucht das Uebrige nicht zu fürchten. 
Dennoch hat aber ein geringes Maass von Latein grade noch 
bei den Juristen am ehesten einen praktischen Sinn; denn manche 
noch maassgebende Vertrags- oder Gesetzesurkunde neuerer Zeit ist 
in echtem Küchen- oder Kirchenlatein abgefasst und kann unter 
Umständen wohl einmal buchstabirt werden müssen, wofür man frei- 
lich auch ebensogut wie für Polnisch eigne Dolmetscher halten könnte. 
Was aber die Quellen des wissenschaftlichen Studiums anbetrifft, so 
dürften die Kinderschuhe doch endlich auszuziehen sein. Hat man 
sieben Jahrhunderte lang glossirt, ohne selbständig zu werden, so 
wird man es auch in sieben Jahrtausenden nicht; und ist man an- 
derweitig durch bessere Methoden des Denkens ein wenig zum Ge- 
brauch der eignen Beine gelangt, so ist erst recht kein Grund vor- 
handen, den alten lateinischen, römisch rechtlichen Zoll noch ferner 
zu entrichten. Selbst der romantische Savigny wollte ja seine Lieb- 
haberei nicht verewigt, sondern dieselbe nur noch als eine zur 
Selbständigkeit vorbereitende Phase anerkannt wissen und ergab sich 
bereits in den Gedanken, den Römischen Rechtsstoff als Schulungs- 
mittel abgethan und nur noch der geschichtlichen „Erinnerung einer 
dankbaren Nachwelt übergeben“ zu sehen. Das Latein in der 
Philologie aber schwebt ganz in der Luft; denn es dient nur dazu, 
Lateinlehrer für die Gymnasien zu produciren, und die ganze 
Herrlichkeit dreht sich auf diese Weise im Kreise. Braucht man 
das Latein nicht mehr für materielle Fächer, so hat es auf den 
Gymnasien keinen Sinn mehr; fällt es aber auf den Gymnasien fort, 
so ist die Philologie auf den Universitäten überflüssig und die alt- 
sprachlichen, angeblich auch alterthumskundigen Professoren können 
getrost aussterben. 
Die Medicin sammt Apothekerei ist zwar in ihrer eigensten 
mittelalterlich abergläubischen Gestalt auch lateinisch recht hübsch 
inficirt, aber doch glücklicherweise nur mit Brocken und sehr äusser- 
lich in jener Weise, wie sie von einem Moliere im „Eingebildeten 
Kranken“ angemessen verspottet wurde. Auch für die Heilkunde 
wird man künftig gar keine alten Sprachen brauchen, und schon 
jetzt kommt man so ziemlich ohne dies aus. Der junge Medieiner
	        
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