Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

AB 
mischen Figur werden müssen, wenn ihr altsprachliches Priesterthum 
erst von einer grösseren Menge durchschaut wird. 
Man ist schon früher in Frankreich und jetzt auch bei uns 
auf den der Beschränktheit naheliegenden Einfall gekommen, das 
Griechische im Verhältniss zum Latein mehr als bisher hervortreten 
zu lassen. Diese Weisheit ist eine sehr ungeschichtliche und un- 
praktische; denn wie schon gesagt, nach dem Rangverhältniss der 
Literaturen ist die altsprachliche Drillung überhaupt nicht eingeführt 
worden. Es waren praktische Anknüpfungspunkte gewesen, denen 
das Latein seine schulmässige Einbürgerung zu verdanken gehabt 
hatte. Nun thut man aber so, als wenn geistige Vorzüge einer 
relativ bessern Literatur, wie die Griechische, den Ausschlag geben 
müssten. Man kommt hiemit nicht nur ein halbes Jahrtausend zu 
spät, sondern versimpelt auch die ganze Betrachtungsart in das 
Ideologisch-Romantische hinein. Was zur Zeit humanistischer Classi- 
citätsschwärmerei, also in einem Zustande, welcher sich zu dem heu- 
tigen Verfall wie Jugendleben zu einem Leichnam verhielt, nicht den 
Ausschlag zu geben vermocht hat, sollte jetzt an erster Stelle maass- 
gebend werden? Selbst wenn wir heute mit unserer wirklichen 
Wissenschaft da ständen, wo wir vor vier Jahrhunderten waren, also 
bei einer ersten Initiative, so würde der Werth des Griechischen 
doch nicht dazu führen können, es zur Schulungssprache zu machen. 
Wie die Dinge aber gegenwärtig liegen und nach Beseitigung aller 
jener Illusionen der Classicitätsromantik möchte die Griechische 
Belletristik und Geschichtsschreibung denn doch nicht verlockend 
genug sein, um moderne Generationen, etwa der zerfahrenen Possen 
des Aristophanes wegen, zu nöthigen, sich Jahrzehnte des Lebens 
durch Griechische Sprachexercitien aushöhlen zu lassen! Das Beste 
bei den Griechen war die plastische Kunst, und ihre Bildsäulen 
reden glücklicherweise kein Wort Griechisch. Die Wissenschaft aber 
war bei den Griechen in der Kindheit und die Philosophie fast 
durchgängig weniger als das, nämlich, was sie, abgesehen von der 
sachlichen Forschung, auch noch heute so ziemlich überall ist, ein 
selbstgefälliges, sachlichen Ernstes ermangelndes Vorspiel mit allerlei 
ersten Elementarbegriffen, aber überdies in einem dialektisch sehr 
schülerhaften Genre. Wenn man also die Griechische Schöngeisterei 
nicht überschätzt und die Bedürfnisse der modernen Denk- und 
Gefühlsweise nicht auf die Dauer mit Füssen treten will, so wird 
man auch die Griechische Romantik fahren lassen und den modernen 
Völkern nicht mehr etwas so Entfremdetes und, realistisch besehen,
	        
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