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hinaustragen, welches in den vorangehenden Erörterungen und Ent-
würfen als zu umfassend nicht betreten werden konnte und sollte.
Derjenige Theil der Frauenwelt aber, der zunächst interessirt ist,
und neben dem der übrige Theil vorläufig noch mit ganz andern
Bedürfnissen und daher in der Frage der höheren Berufsbildung
gleichgültig dasteht, kann sich sagen, dass er zugleich auch eine
allgemeinere Aufgabe, nämlich die Befreiung vom Aberglauben,
nicht etwa blos der Religion, sondern auch der todtsprachlichen
Alterthumsromantik, mit in Angriff nimmt, indem er den Bildungs-
nothwendigkeiten. des praktischen Lebens und hiemit zugleich echter
Sachwissenschaft zusteuert.
7. Beilage über Gelehrtenneid und Feindschaft
gegen Sache und Person.
Es wird nicht ohne Nutzen für das Publicum sein, von den
Schwierigkeiten Kenntniss zu nehmen, mit denen ein Theil meiner
bisherigen Thätigkeit in Sachen der Frauenbildung zu kämpfen ge-
habt hat. Diese Schwierigkeiten hatten einen doppelten Grund.
Erstens ist überhaupt mein selbständiger und vorgerückter wissen-
schaftlicher Standpunkt den im Verhältniss dazu rückständigen Ge-
lehrten schon länger als ein Jahrzehnt ein Gegenstand des Neides
und Hasses gewesen und zweitens hat den Gegnern die bemessene
Nachdrücklichkeit, mit der ich seit 1872 auch die Bildungsinteressen
der Frauen wahrgenommen habe, am allerwenigsten zugesagt. Auf
diesem Gebiet sind meine Gegner mit ihren Universitätsrückständigkei-
ten am ohnmächtigsten und es musste ihnen daher besonders ungelegen
sein, mich auch hier entschiedene Erfolge erringen und zu einer
wohlbegründeten Anhängerschaft gelangen zu sehen.
Die unfreiwillige Beendigung meiner Wirksamkeit am Victoria-
lyceum hat grade in einem Augenblick stattgefunden, in welchem
ich meinen Gedanken über die höhere Berufsbildung der Frauen in
jenem Vortrag, von dem in der Vorbemerkung zu dieser Schrift
die Rede war, einen kurz zusammenfassenden Ausdruck gegeben
hatte. Ist dieser Vortrag auch nur die blosse Gelegenheitsursache
zu meiner Beseitigung gewesen, so hiesse es doch, den Ideen jenes
Vortrags und hiemit auch dem Hauptinhalt der vorliegenden Schrift,
also der Sache selbst etwas vergeben, wenn ich mich der Mühe ent-
ziehen wollte, die übernommene allgemeine Angelegenheit gegen
eine anmaassliche Benehmungsart zu wahren. Um überdies allerlei