Full text: Sozialpädagogik

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andern beiden Bestandteile menschlicher Aktivität, Trieb und 
Willen (im engern Sinn). erinnert. Es wird sich also fragen: 
welche Seiten der individuellen Tugend sind es, die in 
analoger Weise auf diese Momente der menschlichen Aktivität 
sich beziehen, wie die Tugend der Wahrheit auf die prak- 
tische Vernunft. Und da ergibt sich unschwer als die eigen- 
tümliche Tugend des Willens die, welcher die Alten den 
Namen der Tapferkeit gaben; als Tugend des Trieb- 
lebens aber die antike Sophrosyne, wir nennen sie die Tugend 
des Maßes. 
8 13. 
2. Die Tugend des Willens: Tapferkeit oder 
sittliche Tatkraft. 
Der Begriff dieser zweiten Tugend ist, der Ableitung zufolge, 
eigentlich der der Selbstzucht, der strengen Unterordnung des 
Triebs unter die Regel des Willens, und dadurch bedingten 
Energie und F estigkeit der sittlichen Entschließung; also der 
Tatkraft der Sittlichkeit. Sie bildet das genaue Gegenstück 
der ersten Tugend: bezieht diese sich unmittelbar auf den 
letzten Quell der persönlichen Tugend im Bewußts ein, die 
sittliche Einsicht, so betrifft jene die Ausprägung der sittlichen 
Einsicht zur sittlichen Tat; oder den sittlichen Willen, sofern 
er nicht im bloßen Bewußtsein verbleibt, sondern sich wirksam 
beweist, die verfügbaren Kräfte zusammengenommen in den 
Dienst der sittlichen Aufgaben zu stellen. 
Das ist aber offenbar der eigentliche Sinn der antiken Tugend 
der dvögsia oder virtus, wörtlich Mannha ftigkeit. Das 
muß man freilich prägnant verstehen, schiene es doch sonst das 
Geschlecht zu beleidigen, das sich oft genug als das sittlich 
stärkere erweist. „Sei wie ein Mann sein soll“, das will sagen: 
„Habe einen Willen!“ Die gewöhnliche deutsche Wiedergabe 
durch Tapferkeit erinnert vielleicht etwas zu einseitig an 
die Behauptung im Streit, die doch nicht bedingungslos sittlich 
ist. An sich aber ist das darin liegende Moment der Gegensätz- 
lichkeit, des Kampfes wohl von Bedeutung, nur daß es sich
	        
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