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legen ist. Wir verlangen daher vom Menschen, der der Gewalt
seiner Triebe schlaff und ohne Gegenwehr hingegeben ist, daß
er „sich zusammennehme“‘‘; genau dies ist das Kigentümliche
der sittlichen Tatkraft. Dies sich Zusammennehmen aber voll-
bringt schließlich allein die konzentrierende Kraft der Ein-
heit der Zielsetzung in der Idee des unbedingt Gesetz-
lichen, d. i. des Guten.
In ganzer Schärfe hat wiederum Plato dies Unterscheidungs-
merkmal der echten Tapferkeit erkannt. Was man gemeinhin
So nenne, der Einsatz der Person für ein beliebiges, be-
dingtes, empirisches Gut, wenn nicht gar für etwas in Wahr-
heit Schlechtes, sei. eigentlich Tapferkeit aus Furcht: man
setze seine Person ein für irgend ein Nichtiges, das man zu
verlieren fürchte, während in Wahrheit, nach sittlichem Urteil,
sein Verlust gar nicht zu fürchten sei, wie Reichtum, Macht,
äußere Ehre. Tapferkeit im echten, sittlichen Sinne sei nur
der unbedingte Einsatz der Person für das unbedingt Gute,
das, wie er sagt, die einzige Münze ist, gegen die man alles
eintauschen sollte. ;
Nicht ohne Grund also sieht man die Probe der Tapferkeit
darin, jeder Gefahr, jedem Schmerz, namentlich aber dem Tode
fest ins Auge zu sehen. Zwar kann auch die Festigkeit gegen
Todesfurcht ganz unsittliche Gründe haben; der elendeste
Verbrecher dürfte in dieser vermeinten Tugend es mit dem
sittlichen Heros aufnehmen. Je kleiner ein Mensch ist, desto
kleiner ist auch sein Heldenmut, sein Nichts wegzuwerfen,
oft sozusagen für ein Butterbrot. Ein Edler wird vielleicht
weniger rasch damit bei der Hand sein, sein Leben zu
wagen; ist er darum weniger tapfer? Dennoch ist die jedem
So natürliche Meinung, die in der Todesbereitschaft die Probe
der Tapferkeit sieht, nicht ganz im Unrecht; nur bleibt dabei
die wesentliche Bedingung unausgesprochen: daß es ein Edler
ist, der sich opfert, und für eine edle Sache. Das schließt
ferner ein, daß das Selbstopfer. mit Besinnung, in voller Klar-
heit des Bewußtseins gebracht wird. Dies alles vorausgesetzt.
ist gewiß die Fähigkeit, sein ganzes empirisches Dasein daran-
zugeben allein für sittlichen Gewinn, die Probe höchster. Sitt-