Full text: Sozialpädagogik

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Gutes oder wenigstens Unschuldiges zum Ziel: ein guter Mensch 
in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl 
bewußt; allein so lange nur der dunkle ‘Drang zu Worte 
kommt, kann man nicht wissen, ob er eines guten Menschen ist 
oder nicht, ob er also instinktiv auf den rechten Weg leiten 
wird oder auf den verkehrten. Er bedarf also jedenfalls der 
Regelung, der Ordnung, der Reinigung. Gerechtigkeit zielt auf 
Reinleit unseres Verhältnisses der Sympathie und Antipathie 
zum Andern. Leidenschaftlicher, überhaupt blinder Haß, nicht 
minder blinde Liebe verfällt unrettbar in Ungerechtigkeit; und 
dasselbe gilt von jedem nicht oder verkehrt geregelten Zustand 
des Trieblebens. 
Hierher gehört auch die ethisch‘ interessante Frage nach 
dem Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Liebe. Spricht 
man von blinder Liebe, so setzt man voraus, daß es auch eine 
sehende gibt; diese kann wohl nicht allzu weit abliegen von 
der Gerechtigkeit. So nennt Leibniz die Gerechtigkeit die 
Liebe des Weisen. Das kann sagen wollen, daß für den Weisen 
die Gerechtigkeit die Stelle der Liebe (die eigentlich unweise 
sei) vertreten müsse; aber es schließt doch wohl ein, daß Liebe 
und Gerechtigkeit an’ sich nicht mit einander streiten, daß die 
höchste Gerechtigkeit auch Liebe und die höchste Liebe Ge- 
rechtigkeit sei. Soll Liebe der höchste Ausdruck gegenseitiger 
Sittlichkeit sein, so muß sie offenbar besagen den unerschütter- 
lichen Willen zur Gemeinschaft. Dann ist die höchste 
Liebe die, welche die Gemeinschaft im höchsten, d. i. im sitt- 
lichen Sinne will; die sittliche Tugend der Gemeinschaft aber 
ist die Gerechtigkeit. 
Aber damit erhielten wir nur einen neuen Namen für dieselbe 
Sache. Das Wort Liebe aber schließt noch etwas Eigentüm- 
liches ein, nämlich einen starken Beisatz von Gefühl, der 
der Gerechtigkeit an sich fremd ist. Die Gerechtigkeit wird 
auch blind vorgestellt, aber in ganz anderm Sinne als die 
Liebe; die Blindheit besagt hier die strenge Unparteilichkeit, 
die persönliche Unbeteiligtheit des Urteilenden bei dem Streite 
der Parteien, den es zu schlichten gilt. Allein muß man 
denn fühllos sein. um nicht parteiisch zu werden, partelisch,
	        
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