Full text: Sozialpädagogik

300 
beständige Übung des Willens und insofern zugleich seiner 
Entwicklung dienstbar ist; andernteils die eigene Gesetzlichkeit 
des Willens im Unterschied von der des Verstandes, obgleich 
ohne Widerspruch gegen sie, zu deutlichem, abgesondertem 
Bewußtsein gebracht werden muß. Es muß daher eine prak- 
tische Lehre sich von der theoretischen bestimmt sondern; 
während alle direkte Übung Verstand und Willen gemeinsam 
in Anspruch nimmt, aber auch die Lehre für den Verstand 
zugleich Übung für den Willen ist. 
Nach dieser grundsätzlichen Auffassung wären wir von 
„erziehendem Unterricht‘ ebensowohl wie Herbart und seine 
Schule zu reden berechtigt. Aber wir möchten mi$ dieser 
Schule nicht verwechselt werden. Auch wir „gestehen“, wie 
Herbart, „keinen Begriff zu haben von Erziehung ohne Unter- 
richt“, und erkennen, wie er, „auch rückwärts keinen Unter- 
richt“ an, „der nicht erzieht‘“; wo anerkennen so viel besagen 
muß wie gutheißen, denn daß ein nicht erziehender Unterricht 
möglich sei, ist doch auch Herbarts Meihung. Nicht zustimmen 
können wir dagegen der Begründung dieser behaupteten Ein- 
heit von Unterricht und Erziehung durch den Satz, daß „aus 
Gedanken Empfindungen und daraus Grundsätze und Hand- 
lungsweisen werden‘, oder, wie ein jüngerer Herbartianer 
(Rein, im Encykl. Handb. II, Art. „Erziehender Unterricht‘), 
es schärfer noch und unzweideutiger ausdrückt, „das Vorstel- 
lungsleben eines Menschen seine Entschließungen deter- 
miniert“. Wir teilen die Meinung nicht, daß aus dem bloßen 
Wissen — zwar nicht aus jedem, sondern nur einem bestimmt 
gearteten, aber doch ohne irgend einen weiteren 
psychischen Faktor — das Wollen resultiere. Und wenn 
als mitwirkend immerhin die „Empfindung“, das Interesse, die 
Lust und Liebe, d. h. zuletzt das Gefühl anerkannt wird. 
so soll doch, nach Herbart und den Seinen, dieses ebenfalls aus 
bloßen Vorstellungsverhältnissen, ohne Hinzutritt eines neuen 
Faktors, resultieren. Selbst wenn. dies nicht die Meinung wäre. 
könnten. wir uns dazu nicht verstehen, daß Vorstellung plus 
Gefühl den Willen mache (vergl. $ 7); ferner nicht dazu, daß 
das sittliche „Interesse‘“ bloß eines neben vielen! wenn auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.