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Einen ganz direkten Ansatz zu ausdrücklichem Philoso-
phieren bedeutet im Sprachunterricht die Lesung Platos, so-
wohl durch das Dialektische des Verfahrens als durch die An-
regung zum Nachdenken über die Gründe des Sittlichen!);
ferner die ästhetischen Arbeiten Lessings und Schillers und
dessen philosophische Dichtungen. Wie aber auch die Ge-
schichte, nach ihrer wiederholt hervorgehobenen Beziehung zur
Idee, insbesondere zur Idee des Sittlichen, auf Philosophie
notgedrungen hinführt, bedarf jetzt keiner besonderen Aus-
führung mehr (vergl. übrigens S. 291. 295).
Das ganze Bestreben der Philosophie ist gerichtet auf ein
vertieftes Selbstbewußtsein der Erkenntnis in theore-
tischer wie ethischer wie ästhetischer Richtung; auf Einsicht in
die ‚eigene Gesetzlichkeit jeder dieser ursprünglichen Gestal-
tungsweisen des Bewußtseins, und damit auf die letzte Einheit,
in der alle drei zusammenhängen und Übereinstimmung mit-
einander suchen müssen. Ist nun diese höchste Einheit die
der Idee, die ihre unmittelbarste Herrschaft im Sittlichen übt,
so ist klar, von welchem Werte für die Vollendun g der sitt-
lichen Bildung der Fortschritt zur Philosophie sein muß. Für
die Vollendung: denn daß sie nicht etwa ursprünglich den
Grund zur Sittlichkeit zu legen hat, ist freilich gewiß.
Daher würden wir von Anfang an zwar mißtrauisch sein
gegen eine Pädagogik, welche den Schwerpunkt der sittlichen
Erziehung in den ethischen Unterricht legen würde;
allein wir sind darum nicht genötigt, den Gedanken eines eignen
ethischen Unterrichts überhaupt zu verwerfen, sondern werden,
im Hinblick auf die Bedeutung des schließlichen Zieles, das
ein solcher Unterricht sich stecken müßte: der philosophischen
Einsicht in die Gründe des Sittlichen, auch alles, was erst
von fern dazu vorzubereiten geeignet ist, nur aufrichtig will-
kömmen heißen. Daher mögen wir das Bestreben, einen organi-
sierten Moralunterricht, wenn möglich, allgemein in die Schulen.
1) Auch hierüber (doch zu kurz) Laas II, 381 ff. Ich möchte be-
sonderen Nachdruck legen auf gründliche Durcharbeitung des „Gorgias“.
Vgl. „Was uns die Griechen sind“ (Akad. Festrede, Marburg 1901) S. 14.
nebst Anm.4 (Philos. u. Päd... S. 338 f. 354).