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Überall aber wird die Lehre dann: nicht stehen bleiben
bei einer bloß individuellen Fassung des Sittlichen, bei der
Forderung, daß man für sich selbst gut sei; obgleich das ge-
wiß das Erste ist, worum man zu. sorgen hat. Sondern die
Betrachtung muß sich alsbald erheben zur Vorstellung des
Sittlichen als an sich wertvollen Guts, als des der gemein-
samen Hut anvertrauten Gutes der Gemeinschaft. Man
soll gut sein nicht bloß um der eigenen Reinheit, sondern auch
um der Reinerhaltung der Gemeinschaftsbeziehungen willen;
man soll gut sein nicht bloß der eigenen Willensdisziplin wegen,
sondern zur Erhaltung der Tugend der Gesetzlichkeit auch in
der Gemeinschaft; man soll gut sein nicht nur, um gegen sich
ganz wahr zu bleiben, sondern an seinem Teil dazu beizutragen,
daß das Leben der Gemeinschaft mehr und mehr auf Wahr-
heitsgrund stehe. Es soll also auf der ersten Stufe ein wenig-
stens gefühlsmäßiges Verständnis für die Reinheit des Haus-
lebens gegründet werden, wie es bei Kindern, z. B. älteren
Geschwistern gegenüber den jüngern, oft in hohem Maße schon
antwickelt ist; und so auf zweiter Stufe ein Sinn für die Organi-
sation der Gemeinschaft, dessen natürliche Entfaltung im
Knabenalter, als einfache Vorschule zur bürgerlichen Gemein-
schaft, wiederholt hervorgehoben wurde; es muß nicht minder
auf der dritten Stufe die Seele sich öffnen zum Verständnis der
höchsten in der Idee aufstellbaren Art der Gemeinschaft, näm-
lich der autonomen.
Wie nun solcher Absicht einerseits die ganze Lebensordnung
des Hauses, der Schule, der freien Gemeinschaft, andrerseits
der ganze Inhalt der sonstigen theoretischen Lehre auf den-
selben Stufen, mitsamt der Methode dieser Lehre, entspricht,
ist zur Genüge, ausgeführt worden. Daher bleibt der eigen-
tümlich sittlichen Lehre nur übrig, aus dem allen gleichsam
das Facit zu ziehen. Was sie liefert, ist gleichsam nur die Probe
auf. die Rechnung, die, wenn diese sonst richtig aufgestellt
und weitergeführt worden, nichts Neues ergeben, sondern nur
diese Richtigkeit bestätigen darf. Aber solche Bestätigung
liefert doch erst die volle Vergewisserung, daß man im ganzen
auf dem rechten Wege ist, und zugleich die sichere Kontrolle
Natorp, Sozialpädagogik. 5. Aufl. 992