Full text: Sozialpädagogik

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die unbekümmerte Hingabe an jenen Drang des Gefühls, der 
in keine Grenze des Verstandes- oder Willensgesetzes sich ein- 
engen. läßt, sondern kraft des souveränen Rechts seiner Un- 
endlichkeit unendliche Gnade bereit hält für die unendliche 
Schuld des. endlichen Willens, unendliche Macht, den unend- 
lichen Abstand des Endlichen vom Ewigen zu überbrücken, 
unendliche Fülle unmittelbarer Wahrheit, um den unendlichen 
Zweifel des im Endlichen, Mittelbaren endlos verirrten Ver- 
standes zu beschwichtigen. 
Religion ohne Transzendenz ist nicht mehr Religion: das 
hat man in allen Tonarten meiner früheren Darlegung ent- 
gegengehalten. Eine wunderliche Antwort, da ich doch eben 
dies behauptete, daß der Religion, bloß als solcher, die 
Transzendenz in der Tat unvermeidlich sei. Allein, eben 
diesen schier unüberwindlichen Hang zur Transzendenz zu er- 
klären, das war die Aufgabe, die ich mir stellte, Bliebe nun 
auch nur der negative Teil dieser Erklärung stehen: daß der 
Transzendenzanspruch sich nicht erklärt gemäß den eigenen 
Gesetzen des Verstandes oder des Willens oder der ästhetischen 
Gestaltung, so wie diese Gesetze bekannt sind aus der reinen. 
menschlichen Wissenschaft, aus der reinen, humanen Sitten- 
lehre und der reinen, humanen Kunst, oder auch aus irgend 
einer letzten Vereinigung dieser aller etwa in einer (nicht selbst 
auf ein andres, nämlich religiöses Fundament gestützten) 
Philosophie der Erkenntnis — so bliebe zum wenigsten die 
Folgerung aufrecht: daß also ein Konflikt besteht — 
wie denn angesichts der Geschichte dieser Konflikt sich ehr- 
licherweise nicht leugnen oder als bloßer Mißverstand Einzelner 
verstehen 1äßt — zwischen Religion und Humanität. Man kann 
dann diesen Konflikt von der einen oder andern Seite her 
zu überwinden versuchen; da ich nun von Seiten der Religion 
(der Transzendenz) die Möglichkeit seiner Überwindung nicht 
abzusehen vermag, so versuche ich es von Seiten der Humanität. 
So kommen wir zu der zweiten, größeren Frage nach dem 
Rechte, und nicht bloß dem Ursprunge, der Transzendenz. 
Der nichts-als-Religiöse zwar wird diese Frage gleich von 
der Schwelle abweisen. Begreiflich: habe ich Gott, was
	        
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