Full text: Sozialpädagogik

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lich, sogar hintangehalten werden. Die erziehende Wirkung 
der Religion hängt an ihr durchaus nicht; es ist erziehender, 
vor eine so große Frage gestellt zu werden als eine fertige 
Entscheidung diktiert zu erhalten, mit der Zumutung, sie um 
jeden Preis anzunehmen, selbst ohne Einsicht, selbst wider den 
vielleicht schon sich regenden Zweifel, Wer einmal als Vier- 
zehnjähriger mit schon erwachtem Denken diesen Kampf mit 
sich hat kämpfen müssen, wird zwar vielleicht die erlebte 
innere Aufrüttelung auch später nicht aus seinem Bildungs- 
gang wegwünschen, aber die Erinnerung daran wird ihm 
zeitlebens peinlich bleiben, daß ihm zugemutet wurde, bei seiner 
Seelen Seligkeit für dies und ein andres Leben sich in einem 
bestimmten Sinne zu entscheiden, bis dann und dann, und vor 
versammelter Gemeinde feierlich Zeugnis davon abzulegen, 
Es ist darum nicht meine Meinung, daß die religiösen Be- 
griffe in absichtlicher Kälte und Gleichgültigkeit gegen den 
Gefühlsgehalt, der sich unter ihnen birgt, sollten dargelegt 
werden. Da vielmehr die ganze Bedeutung der Religion im 
Gefühl liegt, da auch die religiösen Begriffe nur aus diesem 
Quell ihre Nahrung ziehen, so muß man im Gegenteil wün- 
schen, daß sie nur auf der Grundlage eines starken religiösen 
Empfindens zu erwachsen scheinen, d. h. wir wünschen als 
Religionslehrer Menschen, denen Religion Herzenssache ist, 
die für ihren Gefühlsgehalt zum wenigsten nicht empfindungs- 
los sind. 
Daß Menschen zur Religion kommen, und gerade zu dieser, 
wird nur verständlich aus dem seelischen Konflikt, von dem 
eigentlich das religiöse Pathos sich nährt: ist Gott und gilt 
für den Menschen sein heiliges Gebot, so vermag er doch als 
Mensch nicht es zu erfüllen, er ist also gegen Gott in ewiger 
Schuld; wer erlöst ihn von dieser Schuld? Nur Gott selbst, 
eben indem wir ihn in unsre Seele aufnehmen und ganz in 
ihm leben. Dies, und so der ganze Gedankengang der Er- 
lösungslehre, 1äßt sich nach seiner Gefühlsbedeutung auch dem 
verständlich machen, der diese Lehre als. Dogma sich nicht 
anzueignen vermag, dem der zu Grunde liegende wahre Kon- 
flikt sich einmal anders, oder auch gar nicht, lösen wird. Auch 
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