Full text: A - Biermolke (Band 1)

nahme bestimmt haben, was allen dienen soll und kann, 
larf nichts ausschlieszen noch dahinten lassen. 
Nicht minder nothwendig ist dem wörterbuch die 
ılphabetische ordnung und sowol die möglichkeit des 
vollen eintrags und der abfassung als die sicherheit und 
schnelle des gebrauchs hängen davon ab. wer reiche 
beiträge einschalten will, musz die stelle wohin vor 
augen haben und nicht unschlüssig herum zu suchen, 
ob das wort schon da sei oder fehle: die biene weisz 
genau die zelle, zu welcher sie honig einträgt. es würde 
die arbeit in den wörtern aufheben oder lähmen, wenn 
man den platz nicht kennt, aus dem sie zu holen sind. 
schon ihren eingeschränkten samlungen pflegten die 
ılten diese alphabetfolge zum grunde zu legen und wer 
sie heute nicht handhabt, sondern aufhebt und stört, 
hat sich .än der philologie versündigt. 
Zwar einzelne alphabete sind verschieden eingerich- 
‚et und lassen nicht von ihrem gewohnten gang. das 
sanskrit folgt einer aus seiner fülle und lauterkeit her- 
v‚orgehenden natürlichen anordnung der buchstaben, die 
aber auf unvollkommner entfaltete sprachen schwer an- 
zuwenden ist, in europäischen wörterbüchern eher ver- 
wirrung als licht bringt. an die abweichung der griechi- 
schen und hebräischen alphabete vom lateinischen, wel- 
che doch alle drei auf demselben boden entsprossen sind, 
gewöhnen wir uns von jugend; es ist aber kein be- 
dürfnis den gedächtnissen auch die eigenheit des ru- 
nischen und gothischen aufzubürden, dasz sie ihnen 
jeden augenblick gegenwärtig seı. werden danach nicht 
nur die anlaute, sondern auch die inlaute geordnet, so 
musz man zeit verschwenden oder läuft bei raschem 
aufschlage gefahr ab zu irren und zu übersehen. je- 
dermann weisz es, wie viel beschwer in slavischen wör- 
terbüchern die manigfaltigkeit einiger bezeichnungen 
auch für die alphabetische folge macht, wie lästig bei 
dem scandinavischen ä ä ö ihr schwankendes einstellen 
oder verweisen an den schlusz wird. NESSELMANN und 
ETTMÖLLER haben den gebrauch ihrer littauischen und 
angelsächsischen wörterbücher durch annahme gram- 
matischer lautreihen, die ihnen selbst geläufig, andern 
aber unbequem sind, äuszerst erschwert. die deutsche 
sprache kann bevor ihre orthographie gereinigt wird, 
Jas wörterbuch nicht befriedigend einrichten und ein 
mangel des gegenwärtigen bleiben musz es, dasz die- 
sem gebrechen noch nicht abgeholfen werden durfte. 
Verderblicher den zwecken und absichten des wör- 
terbuchs entgegen wirkt aber keine unter allen ord- 
nungen, als die nach wurzeln, denen unmittelbar das 
abgeleitete und zusammengesetzte wort angeschlossen 
zu werden pflegt; selbst beim entwurf kleiner glos- 
sare und wortregister wird dem kitzel nicht widerstan- 
Jen, alsogleich zu systematisieren und der grammatik 
was ihr gehört vorweg zu nehmen. der etymologie 
ıuch im wörterbuch nachzuhängen ist natürlich und 
unvermeidlich, da sie aber in fortschreitender bewe- 
zung begriffen die kunde der wurzeln allenthalben er- 
weitert und ermäszigt, darf die folge der wörter nicht 
durch sie getrübt werden, jeder etymologischen aus- 
kunft auf dem fusze hätten sonst abänderungen ein- 
zutreien und in den wörterbüchern wäre ken. wort 
mehr seines plaizes sicher. ein so willkommnes, ver- 
lienstvolles werk wie BEneckss mittelhochdeutsches 
ul 
wörterbuch kann in dieser hinsicht verfehlt heiszen: 
sein urheber hielt es mit der würde unserer sprache 
lür unvereinbar anders zu verfahren, durch vorschie 
ben sei es der wahren oder vermeinten wurzel rückt 
or den ausdruck, welchem nachgefragt wird, aus des 
aufschlagenden auge. NESSELMANN und ETTMÜLLER, au 
;zer der gerügten lautordnung, versetzen die einzel- 
ıen wörter dazu noch nach wurzeln. man kann, so- 
Jald andere wörterbücher bestehn, mit nutzen auch 
wurzelforschungen alphabetisch anordnen und beson- 
lers herausgeben, wie wir MıxLosıca verschiedne bü- 
»her, radices und ein lexicon verdanken oder Rosen 
lie sanskritwurzeln eigens zusammenstellte. alphabe- 
iische folge allein, möchte man sagen, sichert den ein- 
‚elnen wörtern ihre vorläufige unabhängigkeit und neu- 
tralität, die nicht vor abschlusz auszerhalb des wörter- 
buchs zu vollbringender untersuchungen preisgegeben 
werden soll. 
2. Was ist eines wörterbuchs zweck? nach seiner 
umfassenden allgemeinheit kann ihm nur ein groszes, 
weites ziel gesteckt sein. 
Es soll ein heiligthum der sprache gründen, ihren 
zanzen schatz bewahren, allen zu ihm den eingang of- 
fen halten. das niedergelegte gut wächst wie die wabe 
und wird ein hehres denkmal des volks, dessen ver- 
zangenheit und gegenwart in ihm sich verknüpfen. 
Die sprache ist allen bekannt und ein geheimnis. wie 
;je den gelehrten mächtig anzieht, hat sie auch der 
nenge natürliche lust und neigung eingepflanzt. ‘wie 
1eiszt doch das wort, dessen ich mich nicht mehr recht 
»rinnern kann? ‘der mann führt ein seltsames wort im 
nunde, was mag es eigentlich sagen wollen? ‘zu dem 
ıusdruck musz noch es bessere beispiele geben, lasz uns 
ıachschlagen.’ 
Diese neigung kommt dem verständnis auf halbem 
wege entgegen. das wörterbuch braucht gar nicht nach 
»latter deutlichkeit zu ringen und kann sich ruhig alles 
iblichen geräths bedienen, dessen die wissenschaft so 
wenig als das handwerk entbehrt und der leser bringt 
las geschick dazu mit oder erwirbt sichs ohne mühe. 
iragst du den schuster, den becker um etwas, er ant- 
wortet dir auch mit seinen wörtern und es bedarf we- 
nig oder keiner deutung. 
Auch ist gar keine noth, dasz allen alles verständlich, 
lasz jedem jedes wort erklärt sei, er gehe an dem unver- 
standnen vorüber und wird es das nächstemal vielleicht 
"assen. nenne man ein gutes buch, dessen verständnis 
eicht wäre und nicht einen unergründlichen hinter- 
zrund hätte. das wörterbuch insgemein führt so 
;chweren stof mit sich, dasz die gelehrtesten bei man- 
'hem verstummen oder noch nicht rechten bescheid 
wissen. auf zahllosen stufen dürfen auch die andern 
eser bei seite lassen, was ihres vermögens nicht ist, 
n ihren gesichtskreis nicht fällt oder was selbst sie ab- 
stöszt. leser jedes standes und alters sollen auf den 
ınabsehbaren strecken der sprache nach bienenweise 
aur in die kräuter und blumen sich niederlassen, zu 
jenen ihr häng sie führt und die ihnen behagen. 
Einen haufen bücher mit übelerfundenen titeln gibt 
»s, die hausieren gehn und das bunteste und unver- 
laulichste gemisch des manigfalten wissens feil tragen. 
ände bei den leuten die einfache kost der heimischen 
XI!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.