Full text: A - Biermolke (Band 1)

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wvesenheit reinhochdeutscher diphthonge aus ihr zu 
Jen meisten eigenheiten der lutherischen sprache, die 
Jarum auch in Norddeutschland leichteren eingang 
land. Will man weiter gehn, so kann zugestanden wer- 
den, dasz manche verfeinerung des hochdeutschen da- 
mit zusammenhängt, dasz Obersachsen wiege und 
1auptsitz der reformation war, und hat ADELUNG grund 
Jen meisznischen dialect zu erheben, so musz er hierin 
zesucht werden. bemerkenswerth lautet schon eine 
stelle in ConrAD GESNERS vorrede zu PıcTorus: sunt 
qui tractui circa Lipsiam elegantioris sermonis, quo 
Lutherus etiam libros suos condiderit, primas deferant ; 
lie allgemeine roheit des 17 jh. hat durchweg in ganz 
Deutschland gute spracheigenheiten verwischt und aus- 
zetilgt. damals übten blosz die schlesischen dichter 
and Fıemmne, zuletzt auch Curıstian Weise einen bes- 
zeren einflusz, woran unmittelbar im folgenden jh. GEL- 
LERT und RABENER Sich schlieszen; ein weit tieferer 
und zu gröszerem heil ist hernach, mit völliger wie- 
Jeraufhebung des obersächsischen tons, von Lessine 
und KıLopstock, dann aber von WIELAND, SCHILLER und 
GöraE ausgegangen. kein einziger schriftsteller in Öst- 
reich und Baiern hat in diesen beiden jahrhunderten 
bedeutung, denn wer wollte BALDE (dazu einen ge- 
bornen Elsäszer) oder MEGERLE anschlagen? 
Fürs deutsche wörterbuch behauptet die kenntnis 
aller hochdeutschen volksmundarten hohen werth, und 
ich musz sogleich zum lobe der Baiern hinzusetzen, 
dasz kein andrer unsrer stämme ein wörterbuch auf- 
zuweisen hat, das dem von SCHMELLER irgend gleich- 
käme, so meisterhaft ist hier die sprache selbst und 
ıhr lebendiger zusammenhang mit sitten und bräuchen 
dargestellt, und doch hat der letzte band bedauerliche 
sürzung erfahren, weil der verleger bedenken trug das 
volle werk fertig zu drucken ; möge jetzt von des ver- 
lassers hinterlassenschaft, worunter sich auch zur zwei- 
ten ausgabe des wörterbuchs der reichste stof ausgear- 
beitet findet, nichts vorenthalten werden. STALDERS 
schweizerisches idioticon würde eine trefliche arbeit 
heiszen, wäre nicht die von SCHMELLER ihr nachge- 
folgt, mit dessen gelehrsamkeit und sprachtalent der 
Luzerner sich eben so wenig messen darf, als an reich- 
ıhum und gehalt die bairische volkssprache mit der 
schweizerischen. diese ist mehr als bloszer dialect, 
wie es schon aus der freiheit des volks sich begreifen 
A4szt; noch nie hat sie sich des rechtes begeben selb- 
ständig aufzutreten und in die schriftsprache einzuflie- 
szen, die freilich aus dem übrigen Deutschland mäch- 
iger zu ihr vordringt. von jeher sind aus der Schweiz 
wirksame bücher hervor gegangen, denen ein theil ih- 
res reizes schwände, wenn die leisere oder stärkere 
zuthat aus der heimischen sprache fehlte; einem leben- 
Jen schriftsteller, bei dem sie entschieden vorwaltet, 
JEREMIAS GOTTHELF (Bırzıus) kommen an sprachgewalt 
und eindruck in der lesewelt heute wenig andre gleich. 
in den folgenden bänden des wörterbuchs wird man 
ihn öfter zugezogen finden und es ist zu wünschen, dasz 
seine kräftige ausdrucksweise dadurch weitere verbrei- 
‚ung erlange. auch der elsäszischen, alemannischen 
der schwäbischen volkssprache, wie vorzüglich HEseıL 
dargethan hat, steht des lieblichen und wolgefälligen 
noch viel zu gebot. von allen diesen volksmundarten 
XVIN 
kann jedoch nicht unmittelbar, das heiszt ohne aus« 
zleichung ihres abstandes im laut, mit dem oft auch 
ein theil ihrer anmut vergeht, erborgt werden. 
4. Wir haben gesehen, welche einschränkung dem 
raume nach der begrif eines deutschen wörterbuchs 
erleidet ; fragt es sich, wie ihm in der zeit seine grenze 
zu stecken sei? 
Die hochdeutsche sprache zerfällt in drei perioden. 
zur althochdeutschen rechnen wir ihre frühsten denk- 
näler ungefähr vom siebenten bis zum eilften jahrhun- 
iert, zur mittelhochdeutschen die vom zwölften bis in 
lie mitte des funfzehnten ; es ist nothwendig beide un- 
ereinander wie von dem neuhochdeutschen zu sondern, 
‚weil die formen der althochdeutschen sprache voller und 
ıdler als die der ınittelhochdeutschen sind, diese aber an 
‚einheit die unsrigen weit übertreffen. blosz der über- 
sang vom alt- zum mittelhochdeutschen kann hin und 
wieder schwanken und zweifelhaft sein. durch ScHA- 
»es entdeckungen lernen wir jetzt viele strophische ge- 
lichte kennen, deren einiger erste abfassung vielleicht 
noch über das zwölfte jahrhundert hinaus in das eilfte 
zu setzen ist; jedenfalls füllt sich, wie schon aus an- 
lern gründen zu entnehmen war, die im eilften bisher 
ıngenommene leere allmälich aus. Dasz bald nach 
1450 mit erfindung der druckerei eine neue welt in 
len wissenschaften anhebt, bedarf keiner ausführung. 
erst mit dem jahr 1500, oder noch etwas später mit 
LuTHERS auftritt den nhd. zeitraum anzuheben ist un- 
‚ulässig, und schriftsteller wie STEINHÖWEL, ALBRECHT 
‚on Eıs, NıcLAs von Wine, ja KEISERSBERG, PAUvuLI und 
3ranrt, die doch schon ganz seine farbe tragen, wür- 
len ihm damit entzogen. seit LuTHER steigt nur die 
‘üulle und freiere behandlung der literatur. 
Auf ahd. ja auf gothische sprache muste im wörter- 
uch oft zurück gegangen werden, um der ältesten und 
rollendetesten gestalt eines ausdrucks habhaft zu wer- 
len. noch häufiger ist, und meist wegen lebendigkeit 
ler redensarten, mhd. beispielen raum gegönnt worden, 
nanchen leser könnte ihrer allzuviel bedünken. viel- 
eicht wären weniger stellen angezogen worden, wenn 
ıllenthalben schon das mhd. wörterbuch vorgelegen 
ıätte; gegenwärtig, da noch dessen gröszerer theil 
ıbgeht, in der ungewisheit ob es einen treffenden be- 
eg, wie er mir zu gehbot stand, bringen werde oder 
ıcht, zog ich vor ihn einzurücken. in der folge sol- 
en die mhd. anführungen eher sich mindern als meh- 
‚en; bei der anordnung des beneckischen wörter- 
yuchs bekommt man viele wörter nicht zu sehen, be- 
vor die reihe ihren stamm treffen wird, und an weiter 
ıinaus schiebenden verweisungen ist kein mangel. die 
lie letzten buchstaben ausarbeiten, werden ihre last 
ekommen. wie noth mhd. beispiele thun, sah zuwei- 
en schon AveLunG, ahd. gibt er selten, gothische nie. 
Die hauptsache aber ist, den umfang des nhd. ganzen 
‚eitraums so viel als möglich zu erschöpfen und dadurch 
ıicht allein das verständnis der einzelnen ausdrücke zu 
»rgründen, sondern auch die liebe zu den vergesznen 
ıchriftstellern dieser zeit wieder anzufachen, das aller- 
‚erkehrteste wäre, den blick vom alterthum abzuwenden 
ınd das ‚deutsche wörterbuch selbstgenügsam auf die 
zurze spanne der gegenwart anzuweisen, als könnte 
'rgend eine zeit aus sich allein begriffen werden und 
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