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des veralteten, auszer brauch gesetzten entraten. Schon
GörHE erfordert nicht selten einen unterschied zwi-
schen seiner früheren und späteren ausdrucksweise
und hedient sich im laufe seines langen reichen lebens
allmälich anderer formen und wörter, man sehe z. b.
begonnte und begann sp. 1297, es wird aber fortge-
zetzter aufmerksamkeit bedürfen, um solche wahrneh-
mungen sicher zu stellen, sp. 5 führte LuTHERS adeler
anmittelbar zu der annahme, dasz auch GörTHE nur ad-
ler gesagt habe, augenblicklich entgieng mir, dasz im
spätern Faust dennoch vorkommt:
sie dünkt dich wol sie sei ein aar. 41, 40,
und warum sollte in den neueren gedichten dies wort
nicht öfter wiederkehren ? aar ist das schönere, ällere,
adler das zusammengesetzte, unserm heutigen sprach-
gebrauch klingt aber adler einfach und natürlich, aar
gesucht und gelehrt. den meisten lesern würde nicht
eingefallen sein daran zu denken, dasz uns eins dieser
wörter geläufig sei, das andere nicht. noch häufiger
als bei Görzae zeigen sich bei WısLAnDn wörter, die von
jüngeren schriftstellern kaum oder nirgend verwandt
werden. wie viel mehr ist aus der sprache der schle-
sischen dichter, oder FıscHarts heute ausgestorben.
Jede sprache steht nicht nur in ihrem nächsten kreis,
es sind auch noch fernere und ausgedehntere um sie
gezogen, deren einflusse sie sich nicht ganz entzie-
hen darf, deren bewustsein sie nicht völlig verloren
hat, wenn es schon dunkler und schwächer geworden
ist, wie dem gedächtnis die abgelegensten dinge ur-
plötzlich wieder gegenwärtig werden. wollte man
dem sprachvermögen sein recht nehmen zurück zu grei-
fen, und nach bedeutsamen, durch ihr alterthum feier-
lıch gewordnen wörtern zu langen, so wäre das die
unerträglichste beschränkung. eine sprache die auszer
ihrem baren vorrat, der in umlauf ist, keine sparpfen-
nige und seltne münzen aufzuweisen hätte, wäre arm-
geschaffen; diese schätze hervorzuziehen ist das amt
des wörterbuchs.
Seit uns die dichtungen des milttelalters wieder hei-
misch geworden sind und hinter ihrem rücken wir
noch eine nachzuckende althochdeutsche poesie lie-
zen wissen, sind zugleich auch auf einmal alle folgen-
Jen jahrhunderte günstiger angesehn, weil die genaue
kunde einer frühen zeit auch in der späteren keine lü-
cken leidet. GELLERT und HacEnorn verstehn wir nicht
öhne Canıtzz und GöntheEr, diese nicht ohne Opırz und
FoEMING, Soll die gröszere kraft des sechzehnten jahr-
hunderts für uns verloren sein? LurTHErRs noch heute
;n der bibel fortlebende sprache würde nur unvollstän-
lig erkannt, wenn sie aus dem zusammenhang ihrer
eignen zeit gerissen wäre. kein deutsches wörterbuch
Jürfte Fıschart, LutTHER, Hans Sacns, KEISERSBERG von
sich ausschlieszen, darum gehören ihm auch die zeit-
zenossen dieser männer an, und vermöchte es nicht
ine solche forderung zu erfüllen, so bliebe es ohne
saft und gehalt.
5. Welche vorgänger haben wir und was ist von ih-
ıen schon geleistet worden?
Die vorzeit, wie vorhin gezeigt ist, kannte keine
wörterbücher, und eine menge althochdeutscher glos-
sen, die in lateinischen handschriften über die zeilen
gesetzt oder auch besonders zusammengetragen wur-
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len, sollten nur der lateinischen sprache, gar nicht der
leutschen einen dienst leisten. es sind nichts als kleine
zlossare, vocabulare und nomenclatoren, meist nach
den lateinischen wörtern alphabetisch und ungenau,
zuweilen auch nach unterscheidung der gegenstände
zeordnet, wie z. b. der von WACKERNAGEL bekannt ge-
nachte vocabularius optimus aus dem 14 jh. alle für
len sprachforscher, sofern sie der ahd. und mhd. pe-
ode angehören, mehr oder minder werthvoll, liegen
auszer unserm unmittelbaren bereich; es gibt ihrer
aber auch mehrere, die der zweiten hälfte des funfzehn-
‚en jh. und noch dem beginn des 16 anheim fallen,
lenen die erleichterte verbreitung durch den druck zu
statten kam. von ihnen ist jedoch, aus nahe liegenden
zründen, mehr ein zufälliger als vollständiger gebrauch
zemacht worden. sämtlich ungemein und selten, ste-
hen sie nur zerstreut in groszen hüchersamlungen und
jind bei ihrer unbeholfenheit schwer zu gebrauchen.
.n den alphabetisch eingerichteten läszt sich nach dem
varbarischen latein nicht leicht aufschlagen und man
nusz damit beginnen, jedes derselben von anfang bis
zu ende durchzulesen, um zu erfahren, was sie enthal-
;‚en. das sind aber vorwiegend lauter gewöhnliche,
sonsther bekannte wörter, deren mundart und verhalt
arst sorgfältiger ermittelung bedürfen. ichleugne nicht,
lasz im einzelnen manche ausbeute aus ihnen zu ge-
winnen sein wird. Lorenz DıeFEnBACH, der bereits eins
lieser bücher nach einer handschrift von 1470 heraus-
zegeben hat, will sich das verdienst erwerben, alle
ibrigen zu untersuchen, zu ordnen und in genauer
‚ollständigkeit dem publicum vorzulegen. vorläufig fin-
let man mangelhafte verzeichnisse ihrer ausgaben in
ILIGNETTS vorrede zum teutonista s. LXXXVII—LXXXIX
ınd bei Esert unter vocabularius.
Den funken eines deutschen wörterbuchs zündete
ler, welcher unter diesen vocabularien auf den nahe
liegenden gedanken gerieth, statt nach den lateinischen
ıun auch nach den deutschen wörtern alphabetisch zu
ırdnen, und DieFENnBACH Wird uns sagen, wer der erste
zewesen ist; kaum geschah es bereits in handschrif-
;en, die dem druck noch nicht bestimmt waren, und
ınfangs wird dem lateinischdeutschen glossar nur ein
leutschlateinisches register angehängt worden sein.
DANZER in den zusätzen seiner annalen führt unter 111.
112. 113 einen vocabularius incipiens teutonicum ante
‘'atinum in drei ausgaben ohne druckjahr an; ein vo-
sabularium teutonico-latinum erschien zu Hagenau
1487, aber vorher schon 1475 zu Cöln GERTS VAN DER
ScHÜREN teutonista oder duitschlender in niederrhei-
aischclevischer mundart, eine reiche und einsichtige
ıuswahl deutscher wörter, die noch heute groszen
autzen leistet und der deutschen sprache ihren alpha-
betischen auftritt sicherte.
Das erste namhafte hochdeutsche wörterbuch rührt
/on einem Straszburger, doch aus der Schweiz abstam-
menden arzt Petrus Dasyropius (was Mase oder Häs-
lein sein wird, bei ihm selbst steht geschrieben 114®
hasz, häszlin, 347% haas dasypus) und führt den titel
lictionarium Jatinogermanicum, dessen dritte ausgabe
Argentorati per Wendelinum Rihelium 1537 in 489
octavblättern mir vorliegt und später noch oft aufge-
jegt wurde. die beiden ersten drucke 1535 (superiore