Full text: A - Biermolke (Band 1)

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haben gleichsam nur in den milttelpunct des worts, auf 
die stelle der hauptbedeutung zu leiten, von welcher 
lann frei und unbefangen nach allen richtungen hin 
umzuschauen ist. so wenig jene definition alle wesent- 
lichen und zufälligen merkmale an der sache hervorzu- 
heben vermochte, noch minder will das latein die er- 
klärung des worts erschöpfen, dies kann am besten in 
ler nachfolgenden deutschen erläuterung geschehen. 
Auch wird man nicht die verständlichkeit aller latei- 
nischen gebrauchten ausdrücke für alle leser des wör- 
terbuchs verlangen; die ihrer unkundig sind, hüpfen 
mit leichtem fusze daran vorbei und finden sich dennoch 
zurecht, wie sie vorübergehn, wenn sie auf ein wort 
gestoszen sind, dessen gehalt sie gar nicht anzieht. ich 
stelle mir vor, dasz sinnigen frauen das lesen im wörter- 
puch durch die eingestreuten lateinischen so wenig 
gestört oder gar verleidet wird, als sie ein zeitungs- 
blatt ungelesen lassen wegen der juristischen, mili- 
‚ärischen, diplomatischen kunstwörter, die darin stehn. 
jeder leser bringt eine menge verständnisse mit sich, 
die ihm den zulritt zu den wörtern leicht machen; ihn 
auf allen schritten zu geleiten, kann nicht die absicht 
eines wissenschaftlichen werkes sein, das zugleich hö- 
here zwecke verfolgt. die befähigung zu dem wörter- 
buch wird sich durch den gebrauch von selbst mehren. 
als man die ‚sprachfertigkeit einer aufgeweckten Fran- 
zösin nach der grammatischen regel meistern wollte, 
versetzte sie behend: mais, je suis la grammaire en 
personne; so kann, wer seine natürliche sprachgabe 
ınd sprachfülle in sich trägt und voraus setzt, ungeirrt 
‚on lateinischen kunstwörtern, in diesem buche ra- 
:hes sich erholen. 
Nicht zu verachten ist auch, dasz durch den gebrauch 
jer fremden sprache die erklärung der unzüchtigen 
wörter löblich verdeckt und dem allgemeinen verständnis 
zewissermaszen entzogen wird. 
14. Bildungstriebe. 
So wenig irgend eine sprache in sich alle laute ent- 
falten oder die entfalteten unverändert bewahren kann, 
sind ihr auch lange nicht alle formen zuständig und 
manche, die sie ehdem besasz, im verlauf der zeit 
wieder verloren gegangen. durch das ausscheiden ver- 
schiedner mundarten aus dem groszen kreis ihrer alten 
ırgemeinschaft, treten die einzelnen sprachen in beson- 
lere, neugebildete kreise, von welchen die eigenheit 
Jer übrigen ausgeschlossen sein mag und so erklärt 
sich die manigfaltigkeit des aus einer quelle entflosse- 
nen. in jeder sprache stellt sich ein abhanden ge- 
kommnes gleichgewicht immer von neuem her. 
Dies ihr geschichtlich errungnes besitzthum, wie 
reich oder arm es sei, steht einer blosz als möglich ge- 
dachten, ersonnenen aber unwirklichen ausdehnung 
aller ihrer bildungsmittel entgegen. dort sind alle re- 
gungen und triebe der sprache natürlich und ungezwun- 
gen, hier würden sie gezerrt und verrenkt erscheinen. 
Wer wollte unsrer sprache einen diphthong zufügen, 
der nie ihr eigen war? wer ihr ein ablautendes verbum 
andichten, das sie nie besasz? es kommen seltne bei- 
spiele vor, doch nur solche, die ein volksgebrauch halb 
unbewust einführte. Leichter scheint es zwar, gang- 
bare ableitungen zu vervielfachen oder die wörter in un- 
‚ersuchten verknüpfungen aneinander treten zu lassen: 
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ıber auch da sträubt sich der sprachgebrauch, wenn 
3 ohne ursache und von ungeweihter hand geschehn 
war. die blosze möglichkeit des worts ist noch kein 
beweis seiner gültigkeit und schicklichkeit. 
Man sollte meinen, dasz sich z. b. von jedem verbum 
aäin männliches substantiv auf er zeugen, aus diesem 
wiederum ein weibliches auf erin bilden liesze, und es 
scheint kaum nöthig solche ableitungen überall anzu- 
ühren. doch ergibt sich, dasz hin und wieder sie gar 
ıicht im brauche sind, zumal von einfachen verben, 
während sie von zusammengesetzten leichter entsprin- 
zen. niemand sagt der faller, lasser, heiszer von fal- 
'en, lassen, heiszen, wol aber wird gebildet der erblas- 
zer, verheiszer ; halter und haushalter, stabhalter, fal- 
ier und zweifalter, nachtfalter, thuer und verthuer sind 
aeben einander üblich; doch dem verwalter von ver- 
walten steht das einfache walter von walten nicht zur 
;eite: einem dichter würde nicht abgeschnitten sein, 
'n feierlicher rede gott als den walter und herscher zu 
yezeichnen. gleich ungewöhnlich ist der rater, allge- 
nein bekannt der berater von beraten, der verräter von 
rerraten. offenbar ist das zusammengesetzte verbum 
ınsinnlicher als das einfache, und aus diesem die ab- 
eitung auf er etwas schwerer als aus jenem. wie we- 
ıig angelegen es der sprache sei, alle wörter über einen 
zamm zu scheren, folgt auch aus dem schwanken und 
ler unschlüssigkeit des umlauts in solchen substanti- 
‚en, denn wir sagen fänger, gänger, schläfer, gräber, 
»läser, schläger, jiger, kläger, wärter, wäscher, mör- 
Jer, käufer u. s. w., hingegen hasser, prasser, lau- 
'er, maurer, rufer, antworter, und manche ausdrücke 
schwanken, da sowol aderlässer als aderlasser und ne- 
ben verräter berater, neben haushälter haushalter vor- 
kommt. der umlaut scheint hier meistens ältere bil- 
dungen, der unumlaut neuere anzuzeigen. in unserm 
bauer stecken zwei verschiedne bildungen, sowol bür, 
zu welchem es sich verhält wie mauer zu mür, als 
bülari. alle diese unterschiede hat vielmehr die gram- 
matik zu erörtern, als dasz sie das wörterbuch in sich 
ıufnehmen, besprechen und anschaulich machen könnte. 
Die zusammensetzungsfähigkeit unserer sprache, wie 
schon oben bei gelegenheit des campischen wörter- 
yuchs gesagt wurde, ist so unermeszlich, dasz sich lange 
ıcht alle hergebrachten, geschweige alle möglichen 
wortbildungen anführen lassen. nach dem ersten oder 
„weiten theil jeder zusammensetzung sind immer reihen 
‚on analogien denkbar, die es überflüssig sein würde im 
wörterbuch jedesmal auch auszufüllen. die manigfaltig- 
zeit der kleider ist in den zusammensetzungen badekleid 
'eiertagskleid hochzeitkleid hofkleid murgenkleid nacht- 
kleid sommerkleid sonntagskleid trauerkleid werkeltags- 
zleid winterkleid ausgedrückt, sicher unerschöpft; sollen 
ılle hier gebrauchten ersten wörter nun auch mit dem 
‚weiten worte anzug, tracht und gewand, oder mit rock, 
'rittel und ähnlichen benennungen verknüpft und einge- 
ragen werden? mit unzähligen part. praet. starker wie 
;chwacher form läszt sich das in einfacher gestalt ausge- 
;torbne subst. heit verbinden : gelegenheit abgelegenheit 
iberlegenheit verlegenheit verstiegenheit verschlossen- 
1eit abgeschlossenheit gedrungenheit gedunsenheit auf- 
zedunsenheit belebtheit beliebtheit verkehrtheit, wer 
xönnte alle aufzählen? bei der uneigentlichen compo-
	        
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