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AneLunG hat seiner zweiten ausgabe vor‘ der ersten
Jadurch einen zweideutigen vorzug verliehen, dasz er
‚on und aussprache der einzelnen wörter häufig durch
accente bezeichnet. diese bezeichnung stimmt aber
nicht genau zu der im Jatein üblichen, und im grunde
ist wenig daraus zu lernen. der nhd. ton fällt so ein-
örmig, dasz man ihn fast von selbst weisz, in einfachen
wörtern haftet er auf der wurzelsilbe, in zusammen-
gesetzten empfängt das erste wort den hauptton, das
zweite den tiefton, auszer wenn das erste eine untrenn-
bare partikel ist, die unbetont bleibt, wie bestehn, ge-
stehn, übersetzen transferre; hingegen die lebendigere
ırennbare wird tonfähig: beistehn, übersetzen Lraji-
cere; alle abgeleiteten subst. behalten den ton der
verba: beständ, geständnis, übersetzung; beiständ,
überfährt. ausnahmen anzuführen gehört nicht hier-
her. Jenes gesetz der wurzelbetonung galt aber in der
ilteren sprache lange nicht so allgemein, und einzelne
Alle betonter ableitungssilben haben sich auch heute
noch bewahrt, z. b. ın lebendig; nur bleiben manche
zweifelhaft, z. b. in achtende octavus, in affolter, wachol-
‚er. sie bedürfen eigner, belebterer untersuchungen,
ıls im wörterbuch angestellt werden können. einige-
nal hat der ton auf die entfaltung der wortform deut-
jichen einflusz gehabt, z. b. in bieder. die abweichende
betonung fremder wörter wie adies, aha, ahi, altar,
„arbar, barbarisch, baron u. s. w. wurde angezeigt.
22. Verlheilung.
Wenn zwei maurer zusammen ihr gerüst besteigen
ınd der eine rechts, der andere links auferbaut, so he-
‚en sich wände, pfeiler, fenster und gesimse des hau-
;es vollkommen gleichförmig zu beiden seiten, weil al-
‚es entworfen ist und nach der schnur gemessen wird ;
as kommt auch vor, dasz an einem aufgespannten bilde
zwei mahler arbeiten, der eine die landschaft, der an-
dere die figuren übernimmt, und jener diesem, um sie
aufzustellen und bequem zu entfalten, genug grundes
läszt. so liesze sich denken, dasz auch am wörterbuch
zwei nebeneinander stünden, nach festem entwurf die
wörter schichteten und einfügten, auch sich wechsels-
weise die bausteine zureichten und ihr gerät und werk-
zeug aus des einen hand in die des andern gienge, Jasz
von einem die etymologie und form, von dem andern
Jie bedeutung ergriffen und erörtert würde. Allein die
wortforschung fordert stille samlung und ungestörtes
nachdenken; wer den ursprung des worts findet, dem
Nieszen daraus auch die bedeutungen, und wessen un-
‚ersuchung warm in den bedeutungen geworden ist,
der musz sich auch eine vorstellung von dem ursprung
und der wurzel des worts gebildet haben. eins be-
Jingt das andere und die faden reiszen, wenn sie aus
der hand gegeben werden. bald würde der hinter-
yrund, den sich der eine arbeiter gedacht hat, von den
gestalten unerfüllt bleiben, die der andere darauf füh-
ren wollte, bald für diese gestalten jener grund nicht
ausreichen. auf diesem felde weichen die ähnlichsten
ınsichten leicht von einander ab und nachgibige ver-
mittlung wird so schädlich wie eigensinniges beharren.
lasz jeder arbeiter seine vollendete untersuchung dem
prüfenden urtheil des mitarbeiters hingebe, widerstrei-
tet dem selbstgefühl ebenso stark als ein solches urtheil
unausführbar ist, denn nacharbeiten kommt hier der
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nühe des arbeitens völlig gleich: statt dasz ich dem
ındern seine gänge nachgehe undalle seine mittel scho-
nend erwäge, will ich "lieber mich selbst nicht schonen
und dieselben wege einschlagen. auch hindern beide
arbeiter, wenn sie zu dicht und unmittelbar beisam-
men stehn, einander am gebrauch des geräts.
Man fühlt und sieht es bald, die gemeinschaft gleich-
berechtigter arbeiter am wörterbuch wird nur so mög-
lich, dasz jeder derselben bestimmte theile des ganzen
ıuf sich nimmt und in allen kreisen dieser theile sich
angestört bewegt. was er vollendet hat, musz ohne
vorausgegangne durchsicht des mitarbeiters in das ge-
jamtwerk aufgenommen werden. die wahl jener theile
oder stücke kann fast dem zufall überlassen sein, da
ılles und jedes auf dem gebiet der sprache gleich schwer
ınd gleich anziehend ist. unbewust und von selbst fe-
tigt sich aber die gemeinschaft zu gegenseitigem vor-
:heil dadurch, dasz beide arbeiter zu derselben zeit,
man könnte sagen in derselben luft auf freiem stand-
gunct, doch mit gleichen mitteln den im groszen ent-
worfnen und festgehaltnen plan im einzelnen still ein-
ınder absehn, und auf diesem wege die erforderliche ein-
heit des ganzen werks sich herausstellt. sie sind zwei
röche, die nach wochen sich ablösend vor den nemli-
»hen herd treten und gleiche speise in gleichem ge-
schirr zubereiten; mag das publicum selbst merken,
wo manchmal der eine zu leise salze, der andre zu
scharf, ich hoffe dasz keiner anbrennen lasse.
Die erste woche sollte mein sein. als der anfang des
werks bevorstand, sagte ich zu Wilhelm: ‘ich will A
nehmen, nimm du B’. ‘das kommt mir zu bald’, ver-
zetzte er, ‘lasz mich mit D beginnen’. dies schien
‘öchst passendg weil A B C den ersten band füllen soll-
en und es angemessen wäre, jedem mitarbeiter eigne
jände anzuweisen. im verlauf der arbeit zeigte sich
ıber, dasz mitten im B abgebrochen werden müsse,
um den ersten band nicht allzu sehr anzuschwellen. so
kommt es nun, dasz ich auch noch ein gutes stück des
zweiten auszuarbeiten habe.
Meinem bruder nutzt und schadets, dasz so viel ge-
iruckt werden musz, bevor er anheben kann. ihm
;tanden und stehn drei jahre zu gebot, in welchen er
ruhig und langsam vorbereitet, ich aber rasch und heisz
zur presse liefere. er hat den groszen vortheil einer
menge von einrichtungen überhoben zu sein, die ich
‚reffen und erfinden muste, als sie das erstemal zur an-
wendung kamen. ınanchen von mir mit mühe erlern-
‚en handgrif darf er geradezu brauchen. nachtheilig
ıber ist ihm, dasz er‘ nun auch das von mir ins wörter-
uch eingeführte der gleichförmigkeit halben beizube-
aalten genöthigt wird, wenn es ihm schon nicht gefällt,
»der in dingen, wo er selbst bessere auskunft getroffen
hätte. eins gegen das andere gewogen, wird niemand
sagen mögen, dasz mir das günstigere losz gefallen sei,
Nur die gefahr wird hei dieser vertheilung des ganzen
werks unvermeidlich sein, da gedanken und einfälle je-
Jes der beiden arbeiter oft auch über seine schranke
hinaus in die wörter der andern kreise schweifen müs-
sen, dasz aller verweisungen ungeachtet vieles davon im
keim welke und verloren gehe. denn alles dem geist
erst dunkel vorschwebende und an rechter stelle klar-
werdende vorher aufzeichnen Iäszt sich nicht; doch