LXVYN
FALLENSTEIN, HARTENSTEIN, RIEDEL, SCHRADER, WEIGAND,
doch den allerfleiszigsten und einsichtigsten musz ich
nennen: es ist KLEE,
Noch zwei andere namen sind mir theuer. ein glück
war es, dasz gerade GöThHE in Kıezs hände kam, und von
Ihm vortreflich ausgezogen, ich würde sagen erschöpft
wurde, wenn einen solchen ausdruck der unerschöpf-
üche gestattete. hätten aber alle übrigen dichter von
annähernder bedeutsamkeit ähnliche auszüge erlangt,
2s stände besser um manche beispiele des wörterbuchs.
wofern nun über Götze irgend mehr auskunft zu wün-
schen blieb, liesz die hülfe selten auf sich warten, da
auch HıLpesranD und Hırzer beide unvergleichliche be-
lesenheit in ihm besaszen. diese namen alliterieren, ihr
einklang zu wolwollender, unermüdlichster theilnahme
kommt dem wörterbuch wesentlich zu statten. Hız-
DEBRAND hat sich einer gewissenhaften correctur der
druckbogen unterzogen, und oft gelegenheit gefunden
seine ungemeine sachkenntnis und neigung zur deut-
schen sprache durch guten ratschlag und berichtigung
einzelner versehen oder verstösze zu erweisen.
Leid that mir, dasz schon mitten in diesem ersten
hande die WEmMÄNNER sich spalteten. so oft ich weid-
männische redensarten anzuführen hatte, freute ich
mich insgeheim eines hezugs auf die vereinten freunde,
die meinen forschungen ‘üf der worte heide’ gern und
mit jägerischem spüreifer folgten. auch pflegte Karı
REIMER von anfang an sich am wörterbuche lebhaftest
zu betheiligen: er war es, der im frühjahr 1838 mit
Morız Haupt nach Cassel gereist kam, um unsern ver-
trag zu festigen, ihn und Hırzern hätte ich auch vorhin
unter denen, die reichliche auszüge beitrugen, anzu-
(ühren gehabt, wenn es sich nicht von selbst verstände,
Jasz verleger ihrem eignen werke allen vorschub zu lei-
sten geneigt sind. vielleicht aber gibt es in unsrer gan-
zen literatur noch kein beispiel einer so aufopfernden
ınhänglichkeit, wie sie Hırzer dem in sein theil gefall-
ıen wörterbuch überall sinnig bethätigt: er liest jeden
„ogen vor dem abdruck durch und seine vertrautheit
mit der sprache und den dichtern, zumal aber, wie man
weisz, mit GörnE flöszt ihm lauter feine bemerkungen
ein. kann der verfasser sich eine günstigere lage wün-
schen?
Die druckerei von HırscureLD bewährt und erhöht ih-
ren ruf durch die ausstattung dieses werks, an das sie
ihre tüchtigsten seizer gestellt hat.
24. Schlusz.
Es galt unsern wortschatz zu heben, zu deuten und
zu läutern, denn samlung ohne verständnis läszt leer,
unselbständige deutsche elymologie vermag nichts, und
wem lautere schreibung ein kleines ist, der kann auch
:n der sprache das grosze nicht lieben und erkennen.
Hinter der aufgabe bleibt aber das gelingen, hinter
dem entwurf die ausführung.
ich zimmere bei wege,
des musz ich manegen meister han,
dieser alte spruch läszt empfinden, wie dem zu mute
sei, der ein haus an ofner strasze auferrichtete, vor wel-
chem die leute stehn bleiben und es begaffen. jener
hat am ihor und dieser am giebel etwas auszusetzen,
der eine lobt die zierraten, der andere den anstrich. ein
LXVIN
wörterbuch steht aber auf dem allgemeinen heerweg der
sprache, wo sich die unendliche menge des volks ver-
sammelt, das ihrer im ganzen, lange nicht im einzelnen
kundig, sowol äuszerungen des beifalls und lobes als
auch des tadels erschallen läszt,
Wenn die fächer und zellen errichtet sind, kann ein-
getragen werden und unmöglich ist, dasz sie alle schon
erfüllt wären. ein tag lehrt den andern und wie froh
macht es die unvollkommne arbeit unaufhörlich zu er-
zänzen und zu erweitern, eine grosze zahl spracher-
zibiger werke, die jetzt noch ungelesen bleiben mu-
sten, wird auf allen blättern übersehene wörter darrei--
zhen und für die gebrauchten beispiele manche frischere
ın hand geben; ja die bereits gelesenen haupitschrift-
zteller sind allmälich wieder zu lesen, weil das erstemal
noch nicht auf alles geachtet werden konnte.
Zwei spinnen sind auf die kräuter dieses wortgartens
zekrochen und haben ihr gift ausgelassen. alle welt er-
wartet hier eine erklärung von mir, ihnen selbst würde
ich nie die ehre anthun eine silbe auf die roheit ihrer
anfeindung zu erwidern.
Mag das wörterbuch den einbildungen oder vorge-
aszten plänen dieser hämischen gesellen nicht ent-
;prechen, die beide nicht einmal halbkenner unserer
sprache heiszen können; das gab ihnen xein recht, ein
vaterländisches werk, das alle freuen sollte, und reiche
vorräte öfnet, zu verlästern, keine kraft, es in seiner
wirkung aufzuheben oder auch nur zu schmälern, ihr
irevel ist unsrer öffentlichen zerrissenheit ein zeichen.
alles dankes, der ihrem armen flicken am zeug sonst
vielleicht geworden wäre, gehn sie baar.
Unablässig, nach jedem vermögen das in mir gelegen
war, Wollte ich zur erkenntnis der deutschen sprache
kommen und ihr von vielen seiten her ins auge schauen ;
meine blicke erhellten sich je länger je mehr und sind
noch ungetrübt. aller eitlen prahlsucht feind darf ich
behaupten, dasz, gelinge es das begonnene schwere
werk zu vollführen, der ruhm unserer sprache und
ınsers volks, welche beide eins sind, dadurch erhöht
sein werde. meine tage, nach dem gemeinen mensch-
lichen losz, sind nahe verschlissen, und das mir vom
lebenslicht noch übrige endchen kann unversehens um-
stürzen, der weg ist aber gewiesen, ein gules stück
ler bahn gebrochen, dasz auch frische wanderer den
[usz ansetzen und sie durchlaufen können.
Deutsche geliebte landsleute, welches reichs, wel-
:hes glaubens ihr seiet, tretet ein in die euch allen auf-
gethane halle eurer angestammten, uralten sprache,
jernet und heiliget sie und haltet an ihr, eure volks-
kraft und dauer hängt in ihr. noch reicht sie über den
Ahein in das Elsasz bis nach Lothringen, über dıe Eider
tief in Schleswigholstein, am ostseegestade hin nach
Riga und Reval, jenseits der Karpathen in Siebenbürgens
altdakisches gebiet. Auch zu euch, ihr ausgewander-
‚en Deutschen, über das salzige meer gelangen wird das
buch und euch wehmiütige, liebliche gedanken an die
heimatsprache eingeben oder befestigen, mit der ihr
zugleich unsere und euere dichter hinüber zieht, wie
lie englischen und spanischen in Amerika ewig fortleben.
Berlin 2. merz 1854,
JACOB GRIMM.