Full text: L. M. (6. Band)

1989 MELANCHOLIE 
kümpt dem menschen sweigen und betralıten, und sweeri- 
keit, wainen und träkheit, vorht und sorg und klainmüeti- 
chait. 30,33; diu melancoli macht die läut teerocht, alsö daz 
manig mensch sich selber ertett oder went, ez sei glesein 
Oder ez sei töt. 326,11; zugleich aber auch in einer weiteren 
anwendung, die mit der allgemeinen naturlehre des mittelalters 
in beziehung steht: den vier elementen entsprechend, von denen 
die erde als der bodensatz der übrigen drei betrachtet wird, gehen 
vier naturen, die in den weltgeschöpfen, vor allem im menschen, 
dem mikrokosmus, erscheinen, melancholie als eine von ihnen, 
der trägen erde zur seite gestellt: diu erde ist der andern ele- 
mente reinate unde ein drussene. unde diu erde ist von ir 
nature durre und kalt. also der naturen sint och ein teil 
liute. den sprechint die arzate melancolici. die artent nach 
der erden, unde sint sorghaft, gerne truric, gitic und habende, 
ungetruwe, zahe unde swarzir varwe. Mainauer naturlehre 1; 
von den viern (elementen) habent ir natur alle geschepht gots 
und der mensch hat aller der natur iegleichs ain teil an 
ime, ettliches mer ettleichs minner. wan er aller vier an im 
hat so haist er microcosmus dz ist in däutsch die minneı 
welt. die natur haizzent also: die erst haizzet colera. die 
ist haiz und truken. die ander sangwis, die ist haiz und 
fäucht, die dritt flegma, die ist fäucht und kalt, die vierd 
melancolia, die ist kalt und truken. von disen vier naturen 
ist geschaffen alles dz in der welt ist. kräuterbüchl. des 14. jahr- 
hunderts im anz. des germ. mus. 1854 sp. 185; demgemäsz ist 
melancholie eine der vier hauptarten in der natürlichen beschaffen- 
heit des menschen : 
er (ein arzt) kan erkennen am gesicht, 
warzu ider mensch sei gericht, 
die vier conplex ganz wandels frei, 
und wer von art sangwineus sei 
oder sei von colerica, 
melancolik und flecmatica. fastn, sp. 139,14 : 
dann es sind vier complexion, 
nach welchen ist der mensch gethon, 
lardurch er hat ein solchen müt, 
wie die natur das fordern thüt. 
nemlich so bringt melancholei, 
dasz er faul, grob, und trawrig sei. 
colericus der brent von zorn, 
und sind güt wort an jm verlorn, 
phlegmam kan ich dir loben nit, 
3ie bringt vil kelt und rotz darmit, 
sanguinea ist noch die best, . . 
lie macht behend, geschwind, gemeit. 
Grobian. Ni* (v. 3221). 
der fernere gebrauch des wortes betont theils die krankheit, theils 
die natürliche anlage, theils die trübe stimmung aus besonderer 
veranlassung: melancoley, melancolia, est quedam complexio. 
voc. inc. theut. n 5°; die melancholy, schwarz geblüt das den 
menschen schweinmütig machet, bilis atra. MAALER 287°; eip 
grosze melancholy oder zorn hat sich erhebt oder ist ent- 
standen, infumuit mascula bilis. ebenda; ein zorn der melan- 
choly die alles sagt wz jren am herzen ligt, splendida bilis. 
ebenda; im 16, und 17. jahrh. als melancolei und melancholei: 
nichts desto weniger war sie auch ganz verdrüssig ab den 
zeitungen ... in dieser melancholei ward diese junge bule- 
rische fürstin, und der könig auf der andern seiten in steten 
gedanken. Amadis 82; bedenket die frucht ewers leibes, das 
jhr daran durch ewre melancolei keine mörderin werdet, 
H. JuL. v. BRAUNSCHWEIG 382; ich belustigte mich sehr ausz 
diesem huch, allein es wolt mir doch nicht alle melancholei 
henehmen. ScHuppIus 178; 
ains mals ich in gedanken sasz, 
mein herz das ward in freuden lasz, 
umbgeben mit der fantasei, . 
darzu auch die melancolei. Zimm. chron. 4,336, 18; 
wann sie dich sehen solches treiben, 
so wirt jr keiner nüchtern bleiben, 
und schicken hin melancolei, 
so jn mit wein zu helfen sei. Grobian. H1* (v. 1870): 
im 18. jahrh. veraltend: 
es flieszt ein seichter fusz still und betrübt vorbei: 
sein leises murmeln nährt ernst und melancholei, 
ÜRONEGK 2.134: 
der ritter fiel in kurzer zeit 
drob in melancholei, nn 
und ward, verzehrt von traurigkeit, 
des todes konterfei. HöutY ged. 17 Halm; 
die heutige form ist seit dem 17. bis 18. jh. aufgekommen: melan- 
cholie, temperament des leibes, melancholia; gemütsbeschaffen- 
heit, anımi aegritudo HEDerıch 1598; mich dünkt, ihr beide 
seid zu ungerechten theilen kommen. einer hat die lust. der 
MELANCHOLISCH — MELBER 1990 
indere die melancholie mit einander kriegt. Cur. WEISE erzn. 
‚75 Braune; von der tiefen melancholie, in der sie begraben 
war. GÖTHE 11,53 (vorher vermochte doch nichts über ihren 
trübsinn, s. 52). 
Das vorige jahrh. faszt die melancholei, melancholie gern auch 
Hichterisch persönlich, als vertreterin einer sanften schwermut : 
wo rüstern dort ein heilig dunkel streun, 
und um des doms er sich efen dehnt, 
weilt die melancholei im vollmondschein, 
an grabmaltrümmer sinnend hingelehnt. 
MaATTHISSON ged. (1794) 56; 
hier im schauer tiefer todtenstille, 
wo die himmelstochter andacht wohnt, 
und melancholie in schwarzer hülle 
3INnNIg mit gesenktem haupte thront. BürGEr 95°; 
. , o du der besten jünglinge bester, . . 
den sie (die natur) der freundschaft schuf, den Ch und stilleren 
reuden; 
sanfte melancholie, deine feindinnen nicht! SrToLBERG 1, 15. 
MELANCHOLISCH, adj. und adv. mit der melancholie behaftet“ 
nelancholisch, melancolicus MAALER 287°; von leuten, die solches 
'emperament oder solche krankheit haben: thimian inn weiszem 
wein oder lauterer milch gebraucht, ist melancholischen per- 
zonen sehr dienstlich. Sesiz feldb. 245; er hat ein melan- 
’holisch verdrieszliches temperament, dadurch er von aller lust 
ınd kurzweil abgehalten wird. Chr. WEISE erzn. 194 Braune; 
je hatte von jugend auf so was hesondres, stilles, melan- 
>holisches, Fr, MÖLLER 1,295; der wär der rechte! wird alle 
;age unumgänglicher; weg, melancholische leute sind mir 
zuwider. 3, 41; 
sagt man doch von tauben herzen, 
dasz sie melancholisch machen. UHLAnND ged, 275; 
von vorübergehender schwermütiger oder niedergedrückter stim- 
mung: wie sonsten die justitia verkauft werde, davon mag 
ich nicht weitläuftig reden. dann es machet grosze herren 
und ihre grandes melancholisch. ScHuprius 16; nun war einer 
bei tische, der sasz die ganze zeit traurig. . darumb fragte 
er ihn, warumb er so melancholisch gewesen? Car. WEISE 
erzn. 175 Braune; von handlungen, zuständen, zeit solcher stim- 
nung: bei einem geloch under lustiger bursch entstund von 
ler melancolei zwar kein melancolisch gesprech, was der- 
selben natur und eigenschaft sei. ZINKGREF apophth. 2, 88; 
ınser melancholisches leben allein in der einöd.. zubringen. 
WECKHERLIN 860; 
wenn auch die stunde, 
melancholische lehrreiche stunde, die künftig die seele 
von dem körper befreiet, erscheint. CRronzex 2, 46; 
alle wunden, die mich je geschmerzt, 
und aller mismuth melancholscher zeit 
zerrt grinsend mir am herzen, 
FREYTAG dram, werke 1,139 
»on dem, was die stimmung anzeigt: 
sein tiefes und melancholisches auge 
funkelte. KLOoPsTOcK 3,162 (Mess, 4,110): 
von dem, was melancholische vorstellungen macht: 
die schwarze nacht verbreitet wieder 
ihr melancholisches gefieder; 
der sternenvolle himmel brennt. Uz 1,262; 
ein melancholisch heimchen zirpt 
vor ihrer kammerthür; | | 
das leichhuhn schreit. ach gott! sie stirbt, 
des dorfes beste zier! HöLty 16 Halm; 
schweigend, in der abenddämmrung schleier, 
ruht die fur, das lied der haine stirbt; 
nur dasz hier, im alternden gemäuer, . 
melancholisch noch ein heimchen zirpt. 
MATTHISSON ged, (1794) 29; 
hier kömmt eine nahrung, bei der man eher grillen machen 
kann. der liebe, melancholische kaffee! LESsING 1, 564. vgl. 
lie umdeutung maulhenkolisch sp. 1805. 
MELANCHOLEN, verb. melancholisch sein: 
sie melankolen wohl zu zeiten, _ 2 
dasz sie mit solchen grillen streiten. TiEcK 13, 245; 
sonst mit fremder bildung melancholieren. SpEE frutzn. 72 (s. den 
’eleg unter meit 2). . . 
MELBER, m. mehlverkäufer, mehlhändler; ein wort das ein 
lem subst. mehl ursprünglich zukommendes inneres w als b 
roch erhalten hat, vergl. oben sp. 1864 fg., mhd. melwere, mel- 
»ere, melber LExER wb. 1,2097: der melber lässet sein mehl 
ınd seinen griesz von dem müler mahlen, wozu er ihm das 
jenöthigte getraid verschafft und selbiges, so oft es ihme 
yeliebet , aufzuschütten befiehlet, um ein desto schön- und 
aineres mehl zu überkammen, welches er sodann nehen 
195%
	        
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