Full text: L. M. (6. Band)

2007 MENGE 
2) die nhd. form schlieszt sich zunächst der mhd. an, so dasz 
menige, menig noch vielfach bis ins 16. jahrh. dauern: multi- 
tudo menige DıEr. 371°; menige copia, quasi habundantia, me- 
nig volks, turma, concio, multitudo populi. voc. inc. theut. n 6°; 
minnige, menigin, meine LEXER mhd. wb. 1, 2101, weitere bei- 
spiele im folgenden. menge kommt schon mhd. auf: 
ir menge wart niht merre, 
niwan dise viere. Erec 8762; 
die wahteln habent die art, daz si gegen winterszeiten über 
mer varnt in ainer grözen meng. MEGENBERG 182,19; agmen 
vily, menge DıEr. 18°; multitudo mengin 371°; furba ein un- 
geordenot mengin 602°, um, da sie LuTHER braucht, noch im 
laufe des 16. jahrh. die ausschlieszliche form zu werden. 
3) menge, ohne nähere bestimmung durch theilungsgenitiv oder 
sonst, in seinem früheren vorkommen auf eine menschenansamm- 
lung, einen volkshaufen, schar, bezogen: goth. panuh ban usdri- 
bana varb sö managei (0 öxAos). Matlh. 9, 25; 
ahd, druhtin selbo in unära giang sär in eina fiara, 
er joh sin githigini suntar fon ther menigi. 
OrrFrıp 3,4,42 (declinavit a turba vulg.); 
mhd. dö hort ich einen ritter vil wol singen 
in Kürenberges wise al üz der menigin. 
minnes. frühl: 8,6; 
hie wurden dise zwene man 
Erec und Mabonagrin, 
von aller dirre menigin 
schöne gesalüieret. KLrec 9657 (vorher burgxre 9638). 
wie später: menge, ein grosze versamlung oder zesamenkom- 
mung desz volks, multitudo, agmen, turba, coetus, celebritas, 
Concio, conventus MAALER 288°; es ist ein geschrei einer menge 
auf den bergen, wie eines groszen volkes. Jes. 13, 4; die pal- 
last werden verlassen sein, und die menge in der stad einsam 
sein. 32,14; dein herz wird sich wundern und ausbreiten, 
wenn sich die menge am meer zu dir bekeret. 60, 5; gegen- 
wertig aller menig (praesente populo). Bocc. 2, 206°; als nun 
lie stund kam, das er predigen solt, versamlet sich ein grosze 
menige in der kirchen. Wıckram rollw. 150,13 Kurz. 
4) diese bedeutung tritt auch in mehr rechnerischem sinne her= 
vor, insofern die zusammensetzung eines solchen haufens aus 
einzelwesen deutlicher als in den vorhergehenden beispielen gefühlt 
wird, es ist wie grosze anzahl: ich wil deinen samen also 
mehren, das er fur groszer menge nicht sol gezelet werden. 
1 Mos. 16, 10, vergl. 32, 17; damit zweierlei geschlecht under- 
einander vermischet kinder ausziehen möchten und die ganz 
erden mit ihrer menig erfüllen. Aıpınus Vergil, (1537) 7°; item, 
das ist kein gebot, wachset und-mehret euch, das stettig 
binde, sondern hat allein zu jener zeit golten, da noch wenig 
leut gewesen, und nicht mehr jtzo, da für mennig einer den 
andern drücket. bei LUTHER 5,97; 
jetzt wird der angst die stadt, der tempel vor die menge, 
den thränen seine gruft und ihm die welt zu enge. 
GÜNTHER 801; 
so im gegensatz zu einzeln oder wenig: so sol gewis dieser 
hauf, des eine grosze menge ist, ganz gering werden. Baruch 
2,29; ihr werdet gegen die menge wenig sein. GörTHE 8, 86: 
hier stehen tausende dich zu beschützen, 
hier wirken tausende nach deinem wink; ; 
und wenn der einzelne dir herz und geist 
und arm und leben fröhlich opfern wollte, 
in solcher groszen menge zählt er nicht. 9.264- 
Jaher aber auch selbst kleine menge: die kleine menge aber, 
die den gesetzgeber ernähret, und daher auch seine vor- 
zügliche aufmerksamkeit verdienet, dürfte wohl eine andre 
sprache führen. Möser pafr. phant. 1, 106; die alte formel die 
meiste menge, von dem gröszten theile einer schar (vgl. oben 
5p. 1949), später durch substanlives die meisten ersetzt (ebenda) 
wenn es kompt, dasz eine newe tracht (kleidertracht) allent- 
halben gemein ist, mag man alsdenn wol der meisten mennig 
nachfolgen, und thun wie die andere, jederman nach seinem 
stand. b..d, liebe 289°; 
des was die meiste menje vrö. [ivl. chron. 1178. 
5) andrerseits aber hebt sich auch die gesellschaftliche oder 
staatliche verbundenheit einer schar hervor: in älteren bairischen 
quellen ist menige, menig gemeinde, dorfmenig, kirchmenig, 
pfarrmenig ScuyM. 1, 1605 Fromm.; auch sonst, vergl. dorfmenge 
fh. 2, 1283, kirchmenge {h. 5, 822; Alexander Aurelius ... der 
wart von der menig keiser geheiszen und von dem senate 
Augustus, d. städtechron. 8, 28, 26; untz wie lang mürmelt wider 
mich dise höse menig (multitudo haec pessima)? bibel von 1483 
73° (diese böse gemeine bei LuTHER 4 Mos. 14, 27); und wil 
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neinen grim ausschütten uber Sin, welche ist eine festung 
Kgypti, und wil die menge zu No ausrotten. Hes, 30, 15; diese 
yurden namhaftige fürsten in jren geschlechten des hauses 
rer veter, und teileten sich nach der menge. 1 chron. 5,38; 
lie menge aber der stat spaltet sich, etliche hieltens mit den 
lüden, und etliche mit den aposteln. ap. gesch. 14, 4; so sehen 
sie zum dritten, das an etlichen orten ein ganze menig und 
7olk regiert, also was dem mehrertheil gefiel, dem gieng man 
nach. Livius von SCHÖFFERLIN 4. 
6) dies hat verächtlichen beisinn, namentlich in der neuern 
prache erlangt, von der wahrnehmung aus, dasz solche enge 
jesellschaftliche verbundenheit selbständigkeit und eigenes urtheil 
jernichte, vergl. einen ähnlichen bedeutungsübergang bei haufe 
| und 5, th. 4?, 584: du solt nicht folgen der menge zum 
»ösen, und nicht antworten fur gericht, das du der menge 
nach, vom rechten weichest. 2 Mos. 23, 2; ich bin nit gern 
ei der menge, odi celebritatem. MAALER 281°; spannen sie 
ılle ihre segel auf, erheben sie sich über die menge. WIELAND 
4, 37; der ruhige beifall des kalten kenners oder das laute 
zuklatschen der menge. 39; nicht die schimmernde that vor 
dem auge der welt, nicht das stürmende klatschen des bei- 
“alls der menge, die innere quelle der that ists, die zwischen 
'ugend und untugend entscheidet. ScHiLLER hist.-krit. ausg. 
„61; wenn man der menge das mitgefühl alles menschlichen 
zeben .. könnte. GÖTHE 18, 165; 
das schätzt, das glaubt kein kopf, der wie ein taumelnd schaaf 
noch mit der menge lauft. GÜNTHER 423; 
wir sehn der tugend bahn; wir wollen sie beschreiten, 
und lassen uns doch selbst von den begierden leiten. 
der irrthum macht uns stolz, die menge reiszt uns hin. 
CRONEGK 2, 123; 
also spiele dein spiel; nicht für die menge, für dich. 
HERDER z. Litl, 4,27: 
sie hören nicht die folgenden gesänge, 
die seelen, denen ich die ersten sang; .. 
mein lied ertönt der unbekannten menge, 
ihr beifall selbst macht meinem herzen bang. GörtTHE 12,5; 
ich wünschte sehr der menge zu behagen, > 
besonders weil sie lebt und leben läszt. 9; 
ılie menge drauszen jauchzt, und die hatuken schallen, 
FREILIGRATH dicht. 1,97; 
sie wird dem pöbel nahe gestellt: das drama setzt eine müszige 
menge, vielleicht gar einen pühel voraus, dergleichen sich bei 
uns nicht findet, GörHeE 22,170; manchmal in ihren eigen- 
schaften ihm gleich: 
wohin entfliceht dem pöbellärm der menge 
die stille wehmuth und der tiefe schmerz? 
ARNDT ged. (1840) 169; 
wie menge und pübel wol auch wechseln: 
. dann forscht sie mit feurigem auge 
um sich herum, ob sie unter der menge nicht edlere fände, 
welche mit ihr den propheten bewunderten. . 
KL.OPSTOCK 4,25 (Mess, 6,339); 
2achher dieser pübel v. 350; die menge wird grosz, bunt, 
'‚erworren, urtheilslos, betrogen, gaffend, unruhig w. ähnl. 
jenannt: er verachtet das urtheil der groszen menge; ich 
;ichämte mich nun, eine nation nach der verworrenen menge 
beurtheilt zu haben, die sich in eine theatergarderobe drängen 
mag. GöTHE 19,107; der bunte pickelhäring, den der schlaue 
alte unter die unruhige menge emporgeschickt hat. IMMERMANN 
Münchh. 1, 167; wahre liebe ist schüchtern und verbirgt sich 
vor der gaffenden menge. Freytag dram, werke 1,201: 
rauf versucht er, wie weit er die schwindelnde menge be- 
herrsche. KL.oPsTocK 4,50 (Mess. 7.113): 
um einen arzt und seine bühne 
stand mit erstaunungsvoller miene 
die leicht beirogne menge 
in lobendem gedrenge. LESssING 1,59; 
stand die erstaunte menge. ebenda; 
0 sprich mir nicht von jener bunten menge, 
bei deren anblick uns der geist entfieht. GörTHE 12,10: 
. die wankelmüthge menge, 
die jeder wind herumtreibt! ScaiLLER M. Stuart 4,11; 
ihr werden nach geistiger und gesellschaftlicher seite hin die 
eiter, oberen, gruszen, regierenden entgegengesetzt: doch die 
menge hat immer sinn genug, wenn die obern damit begabt 
sind, GÖTHE 22, 182; 
die hohenpriester begleiten 
zu Herodes den göttlichen sohn, mit ihnen die menge, 
Kı0pPsTOCK 4,75 (Mess. 7,499): 
grosze gingen zu grunde: doch wer beschützte die menge, 
gegen die menge? da war menge der menge tyrann, 
GÖöTurR 1. 362-
	        
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