beiden Arten von Melodie an die beiden Hauptgattungen der Composition
zu vertheilen. Ein ausschließender Gegensaß zwischen eigentlicher und Un-
eigentlicher Melodie findet des wesentlichen Unterschieds beider nicht statt;
beide können, falls nur Fehler wie der eben angeführte vermieden werden,
in einem und demselben Tonstück zusammen angewendet werden, so namentlich
in Instrumentalstücken von einfachem und doch lebendig bewegtem Charafter,
wie Tänze, Märsche und dergleichen. Ja die eigentliche Melodie kann in
uneigentliche, in figurirte sich verwandeln; die Nichtung des Tonfortgangs,
seine lineare Bewegung bleibt im Allgemeinen dieselbe und spezificirt sich
doch in den einzelnen Theilen zu einer Mannigfaltigkeit von Wendungen,
welche größeres Leben in ihn bringen; die einzelnen Glieder (Noten, Takte)
der ursprünglichen Melodie verselbständigen sich, regen sich, treiben kleinere
ineinander übergreifende Sprossen und Zweige, und die Gestalt des Ganzen
scheint deßungeachtet unverändert durch diese Zuthaten hindurch. An dieser
Figurirung der Melodie hat die Musik ein Hauptmittel der Belebung
und Mannigfaltigkeit, das auch die Vocalmusik für diese Zwecke reichlich
verwenden kann.
S. 780.
1. Wie zwischen Melodie im engern und weitern Sinn zu unterscheiden ist,
so ist auch die ihr wesentliche Periodicität eine doppelte; sie bezieht sich theils
auf die Anordnung des Ganzen, sofern diese einen nach den Gesehen der Sym-
metrie gestalteten Periodenbau darstellen muß, theils auf die größern und kleinern
Glieder der längern periodischen Abschnitte, indem auch diese untergeordneten
Glieder eigene, unter sich zusammengehörige Gruppen darstellen müssen. Huan-
titativ läßt die periodische Gliederung sehr vielfache Unterschiede der Zahl der
e. Haupt- und Unterabtheilungen zu; in qualitativer Beziehung aber ist noth-
wendig, daß die einzelnen Theile und Gruppen bei aller Selbständigkeit natür-
lich, fließend, in lebendigem Bewegungsrhythmus sich an einander anreihen.
1. Das so weich und schwebend scheinende Gebilde der Melodie verbirgt
in sich eine strenge Gliederung und Gruppirung, deren Nothwendigkeit der
vorhergehende 8. nachgewiesen hat und deren Wesen nun noch spezieller zu
betrachten ist. Am klarsten tritt sie hervor bei der Melodie im engern
Sinne, während die blos melodiöse Tonfolge wenigstens in größern Ton-
stücken keinen so einfach bestimmten Gesezen der Anordnung unterworfen
ist (8. 779, 2.), daher hier zunächst nur von eigentlicher Melodie und kleinern
Melodieen im weitern Sinn die Rede ist. Das melodische Tonstü> baut
sich in der Regel auf aus zwei in Bezug auf Länge einander conformen
Haupttheilen; dieselben können, wie namentlich in bewegtern Stücken (beson-
ders Arien), auch einen dritten in die Mitte nehmen, aber die normale
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