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MENSCHLICH
MENSCHLICH, adj. und adv. humanus, humaniter ; ahd. man-
nisclih, mhd. menneschlich, menschlich; humanus mensche-
lich, menschlich, mentschlich, mentschliche, mentszlich,
menslich Dıer. 281°; humaniter, humane menschelich, mentsch-
lich, menselich, menschleich, minslic, menseliche ebenda.
1) den menschen angehörend, ihnen eigen: menschlich, das
dem menschen zügehört, humanus MAALER 288°.
a) in bezug auf geschlecht und art in körperlichem sinne:
von wiben übels vil beschiet,
und ist beschehen manigvalt,
des allez menschlich künne engalt.
BonzEr edelst. 57, 106 ;
das menschlich geschlächt, humana gens MAALER 288°; ich
sehe eben nicht, womit sich derjenige um das menschliche
geschlecht verdient machet, der nach neun und neunzig
grundsätzen des rechts der natur den hunderten entdeckt.
KÄSTNER verm. schr. 1, 30;
der ehlich standt hat fug und recht,
zu mehren das menschlich geschlecht,.
H. Sacus fastn, sp. 1,56, 76;
(Jupiter) hat mich (die wahrheit) vorlengst vom himel werdt
herab geschicket auf die erdt
zu züchtigen menschlich geschlecht. 2, 133,94;
gott hat mir geben solch weiszheit . .
vom meer, füssen und brunnen frischen,
von vögel, thier, würmen und fischen,
von menschlicher natur und art
und was auf erdt geschaffen wart. 3,6, 165;
die sonn erschrickt; die erde schweigt;
es zagt das menschliche geschlechte. HAGEDORN 1,5.
b) von körper und körpertheilen, kräften, aussehen eines ein-
zelnen menschen ?
sin menneschlich bilde
was anders harte wilde,
er was eim Möre gelich. Iwein 424;
Cyrogrates ist ain tier, daz menschleich stimm lernt. MEGEN-
BERG 132, 19; ein brüllender löwe aus dem walde getrieben, der
redete mit menschlicher stimme. 4 Esra 11,38; ein mensch-
liche gestalt haben, humana specie et figura esse. MAALER 288° ;
diese wilden hatten eine mehr als menschliche statur (waren
gröszer als sonst menschen). WIıELAND 12,248; langweilige jahre,
unter völkern, die kaum menschliche gestalt haben, zuzu-
bringen. Kästner verm. schr. 1,24; das wachsthum des mensch-
lichen körpers. HERDER z. phil. 4,83; von der organisation des
menschlichen haupts. 154; ein menschliches antlitz. J. PAUL
Qu. Fizl. vi; dasz auch ein theil der bevölkerung aus mensch-
lichen ruinen besteht. IMMERMANN Münchh. 1, 208;
ein neües wunderwerk ermuntert meinen blick,
ein bild. ein menschlich bild! der schöpfung meisterstück,
DROLLINGER 75,
c) von seinen inneren eigenschaften , seinem herzen , denken,
fühlen u.s.w.: das tichten des menschlichen herzen ist böse
von jugent auf. 1 Mos. 8, 21; es ist noch nie keine weiszag-
ung aus menschlichem willen erfur bracht. 2 Peir. 1, 21; alle
natur, der thier und der vogel, und der schlangen und der
meerwunder, werden gezemet, und sint gezemet von der
menschlichen natur. Jac. 3,7; menschliche art und natur,
menschliche pflicht und neigung, so ein mensch von natur
zü einem anderen hat, humanitas. MAALER 288°; mensch-
licher weisz, wie ein mensch ze thün gewon ist, humanitus,
ebenda; keine tugend, kein trieb ist im menschlichen herzen,
von dem sich nicht hie und da ein analogon in der thier-
welt fände. HERDER z. phil. 4, 123; das fürstliche schelmen-
stück drückt wohl die goldwaage menschlicher sünden ent-
zwei. ScHiLLER Fiesko 5,16; laszt uns gehn, aus dem land,
wo menschen und menschlich gefühl naus geflohen ist,
KLinGER Ötto 19,2; könnte sich nichts unversehens ereignen,
so herrschete entweder die menschliche klugheit über alle
begebenheiten, oder wenn es ihr mislänge, hätte sie nur
sich selbst anzuklagen. KÄsTnER verm. schr. 1,6; sich allen
prophezeiungen menschlicher weisheit entziehen. 14;
die allerschönsten gärtn hab ich,
die in meim herzn erfreüen mich,
dann sie tragn vil blumen und frucht,
die menschlichs gmüt zu sehen sucht,
J. AYRER 436° (1784,5 Keller);
. der so überflüssig labt
und mit so manchem gut begabt
das menschliche gemüte, P. GERHARD 240,42;
. . wie die stände
zich bieten sollten mehr die hände,
könig, narr, staatsrath die cultur z
verbessern menschlicher natur. TIEcKg Octav. 374.
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d) von einrichtungen , zuständen , thaten , leben, wandel der
nenschen: daz ist sein Erstez menschleichez werch. MEGEN-
IERG 41,23; er (der nachtrabe) lebt von mensleicher un-
sauberkait. 208, 25; daz diu slang menschleicheu wort sprach.
270, 33; sie halten auch das menschlich leben fur einen
scherz, und menschlichen wandel fur einen jarmarkt. weish.
Sal. 15, 12; seid unterthan aller menschlichen ordnung. 1 Peir.
2, 13; bei menschlichen angelegenheiten. KÄSTNER verm. schr.
„16; das vorurtheil will ich jetzo bestreiten, als ob die
‚hilosophie uns der menschlichen gesellschaft unnütz mache.
30; würdige mitglieder der menschlichen gesellschaft zu sein.
31; die bücher, . .. die alle menschliche schriften an alter,
wie an heiligkeit übertreffen. 55; der menschliche zustand
st so hoch in leiden und freuden gesetzt, dasz gar nicht be-
‚echnet werden kann, was ein paar gatten einander schuldig
werden. GöTHE 17,107; und dir,.. der du an menschlichen
Jingen so herzlichen antheil nimmst. 18,54; ewige dauer
arhöhter menschlicher zustände. 45, 331; sproszt, ihr dämo-
nischen kräfte, die die menschliche satzung sonst auszujäten
bemüht war! H.v. Kıeıst Käthchen von Heilbronn 1,1; aber
ıuf der andern seite ists eben trefflich,. dasz gerade hier
las gesetz sich menschlich wiederholt, welchem zufolge im
‚eiche der thiere die verfolgtesten und furchtsamsten, z. b.
fische und hasen, die fruchtbarsten sind, so dasz sich eben
30 im menschlichen reiche die unterthanen mehr vermehren
als die oberherrn. J. Pauı leb. Fibels 41; wegen der stille
Jes orts und vielleicht auch wegen seiner dem menschlichen
ılter ähnlichen physiognomie. IMMERMANN Münchh. 1,208;
ich, Apolo, steig ab vom himel,
zu schawen das menschlich gewimel,
H. Sacas fastn. sp. 3, 41,2;
keiner vom andern sich menschlich gewalt lasz trennen.
ZInNKGREF bei Opırz 1624 223;
er (Zeus) ist obmann menschlicher kriege. BÜRGER 213°;
wo, tief zwischen ranken
der wildnis versteckt,
kein menschliches wanken
den träumenden weckt, MATTHISSON ged, (1794) 77.
e) menschlich sein, zum menschengeschlechte gehören:
ein kalb scherzt, gumpt und springt, das messer eh es fühlet,
ein mensch denkt nie an den, der stündlich auf jhn zielet:
der wolf nimmt was jhm kümmt, ist feind für wild und vieh,
was mensch und menschlich ist, ist frei für menschen nie.
LocaAu 1,108, 53
(vergl. dazu auch menschliches mensch sp. 2034); und das neu-
trum substanlivisch, etwas menschliches, ein menschliches wesen,
zn mensch:
er sammelt kraft, die höhe zu ersteigen,
dort hofft er seine mühe bald belohnt.
nun, spricht er zu sich selbst, nun musz sich zeigen,
ob etwas menschlichs in der nähe wohnt! GötTHE 13,178;
zwar toben uns (bergleuten) tief, wo nichts menschliches wallt,
die wasser mit feindlichem ringen. KÖRNER 2,87.
2) menschlich, im gegensatz zu göttlich: heb dich satan
‚on mir, du bist mir ergerlich, denn du meinest nicht was
zöttlich, sondern was menschlich ist. Matth. 16, 23; ich thu
euch aber kund, lieben brüder, das das evangelium, das von
mir geprediget ist, nicht menschlich ist, denn ich hab es
von keinem menschen empfangen, noch gelernet, sondern
durch die offenbarung Jhesu Christi. Gal. 1, 11; dasz ich gottes
znad erlangen und hehalten möchte, als ich gesucht hab
nenschliche gnad. ScHuppius 132; anstatt die filosofie mit
Zicero als die wissenschaft der göttlichen und menschlichen
jinge zu definieren. WIELAND 29, 139; die neue religion be-
kannte einen obersten gott, nicht so königlich gedacht wie
Zeus, aber menschlicher; denn er ist vater eines geheimnis-
vollen sohnes. GörmEe 43, 399; Christus hat göttliche und
menschliche natur, ist göttlicher natur, aber menschlich
geboren; dieses göttlich menschliche wesen (Christus), GÖTHE
43. 399 +
die maget werde,
die du ze muoter häst erkorn,
von der du menschlich wurde geborn,
WACKERNAGEL kirchenl. 2,382 (nr. 529,1);
im gegensatz zu teuflisch: das ist nicht die weisheit, die von
»ben her ab kompt, sondern jrdisch, menschlich und teufe-
isch. Jac.3, 15; wo auch die bedeutung 9 unten einspielt kein
nenschliches mittel liesz ich unversucht — ich musz zu
sinem teuflischen schreiten. SchHiLLER kab. u. liebe 2, 7,
3) menschlich, mit hervorhebung der schranken und der
unzulänalichkeit der menschennatur: so wir denn göttlichs