8
X
2229 MINDERMÄCHTIG — MINDERN
MINDERMÄCHTIG, adj.: die kleinen höfe beriethen in
geschäftigen verhandlungen, wie sie durch einen bund der
mindermächtigen sich decken sollten. TrEıTscHKE deutsche
gesch. im 19. jahrh. 1,65.
MINDERN, verb. minuere, diminuere; ahd. minnirön, mhd.
minnern, minren, vereinzelt schon im 14. jahrh. (s. bei MEGEN-
BERG unten nr. 2), entschieden seit dem 15, jahrh. mindern:
diminuere minnern, mindern, minderen Diıer. 182°; minuere
minnern, minderen, niederd. minren, minneren 362°; minutare
minnern, mindern ebenda; mindern, minorare, minulare, dero-
7are, diminuere, minuere. voc. inc. iheut. n 7.
1) transitiv, minder oder weniger machen,
a) in bezug auf grösze und umfang; ahd. noch vom zer-
kleinern oder zerstückeln eines gegenstandes: inti mit ketinün
gibuntan zibrah thie ketinün inti thiö fuozthrüht giminniröta
(et catenis vinclus disrupuisset catenas et compedes comminuissel).
Tat. 53,4 (nach Marc. 5,3, Luther hatte ., die fessel zurieben);
später nur abnehmen machen, verringern? .
ez . . minnert iwer gnäden hort
minner vil denne umb ein ort.
U. v. LICHTENSTEIN 53, 14;
das brot das wir mit essen mindern. STEINHÖWEL (1555) 4’;
bei den strumpfwirkern heiszt maschen mindern solche abnehmen,
damit die spitze gestalt eines englischen zwickels hervorgebracht
werde. JacoBssoN 3, 66".
b) in bezug auf zahl: ich wil sie mehren und nicht min-
dern, ich wil sie herrlich machen und nicht kleinern. Jer,
30, 19;
dasz man begierig diesen vorwand hascht,
den spanschen namen braucht, mein volk zu mindern.
| SCHILLER Piccol. 2,7.
c) von vermögen, einkommen, lohn, wert: nieman enmüz
ouch sunderlichen hirten habn, där her deme gemeinen hirten
sin ]6ön mete geminnere. Sachsensp. 2,54,2; der antworter abir
mag dy schaczunge mit seime eide minneren. Magdeb. blume
2,3,5; ein reisiger einspänniger an einem fürstlichen hof,
dem kurz zuvor sein jährlich bestallung gemindert worden,
ZINKGREF apophih. 1,347; die summe mindern, defrahere ex
summa. FrıscH 1,664‘; in der rechenkunst einen bruch min-
dern: wie ein bruch gemindert werden sol. Köser rechenbuch
(1544) 64°.
d) herabsetzen, verringern an wert und stärke, in bezug auf
gewalt, macht, recht, ansehen: dirre Nero minrete vaste daz
römesche rich. d.städtechron. 8,342,19; sü woltent den gewalt
minren und glichern, daz man alle jor einen ammanmeister
solte haben und vier meistere, der iegelicher ein vierteil jores
rihtete. 128, 15; zum sechsten minderst du im seinen guten
lümbde mit deinen worten. KEISERSBERG Seelenp. 9°; wie er
understünd den stadt (stand) der edlen, erbarn und wol her-
kommen, auch den ganzen senat zu schwechen und zu min-
dern. Livius von SCHÖFFERLIN 18; das ein könig würt gedenken,
wie er euwer freiheit und gesatz minder oder ganz abthü.
STEINHÖWEL (1555) 19*; (glück und ehre) verhoff ich nicht zu
mindern sondern zu mehren. Galmy 124; ein ansähen min-
deren, authoritatem elevare MAALER 290°; eine solche paszquil
sol aber doch dessen, wider welchen sie auszgesprenget,
ehrlichen namen nicht kränken, verletzen oder mindern,
ScHupPius 673; den credit mindern, de fide derogare, levare
fidem, das ansehen mindern, auctorifalem minuere, eines lob
mindern, laudes alicujus extenuare Frısch 1,664‘; du irrst mir
die menge und minderst das ansehn meines heiligen amtes.
FreyrAG ahnen 3,416; dies mag das recht des Polen mindern
und dein unrecht bessern. 4,27; von einem schlechter werdenden
zuslande im allgemeinen?
was mindert nicht die zeit? verarten wir nicht immer?
die Römer sind nicht mehr was sie gewesen sind.
HAGEDORN 3,27,
nach Horat. od. 3, 6:
damnosa quid non imminuit dies?;
mit persönlichem object: es kumet derzü das der grosze ge-
minret wurt und der minre gemert wurt. d. sfädtechr. 8,303, 20.
e) schlechter machen, schwächen, von eigenschaften oder vor-
sätzen: man soll auch.. solche personen zu dem verklagten
in die gefengknus verordnen, die jn zu guten seligen dingen
vermanen, und jm in dem auszfüren (zur ezeculion) und sunst
nit zuvil zu trinken geben, dadurch sein vernunft gemindert
werde, Carolina art. 19; armuht mindert manches gutes vor.
hahen. STIETER 19278 -
MINDERN 2230
din tugent nie geminnert . , .
wart gegen mir als umbe ein här. Engelhart 149;
von schwachen Adamskindern .
zu hoffen eine treu, die keines sturmwinds stosz
erschüttert, eine treu, die keine probe mindern,
kein reiz betäuben kann? WiıeLAnD 23,105 (Ober, 8,59);
von gefühlen: liebe und freundschaft etwas minderen, de amore
Tefrahere aliquid. MAALER 290°; den zorn mindern, minuere
iram STIELER 1277;
der tod soll dich nicht traurig schrecken,
doch dich zur weisheit zu erwecken,
soll er dir stets vor augen sein,
er soll den wunsch zu leben mindern. GELLERT 2,113;
zuch im folgenden, das, weil hier leid das gefühl der trauer
bezeichnet, mehr hierher als zu den beispielen unter f fällt:
gedenk denn jetzt an deine grösze,
und mindre dein gerechtes leid! DROLLINGER 267;
von kräften: noch sint siben aigenchait an dem feur...diu
sibend ist, daz ez von ain klain wazzers geminnert wirt.
MEGENBERG 70, 20.
f) geringer machen, von widrigen, laslenden und drückenden
Jingen und begegnissen; die noch jetzt häufigste verwendung?
und die zal der ziegel, die sie bisher gemacht haben, solt
er jnen gleichwol auflegen, und nichts mindern. 2 Mos. 5,8;
von ewr erbeit sol nichts gemindert werden. 11; jr solt nichts
mindern von dem tagwerk an den ziegeln. 19; sorg minderen,
curas altenuare MAALER 290°; geduld mindert den schmerzen,
galientia dolorem leviorem facit. STIELER 1277; die strafe min-
lern, poenam mitigare. ebenda; es minderte mir den kummer,
zegritudinem mihi diminuebal. STEINBACH 2,62; das trauren
mindern, luctum levare. ebenda; den schmerz kan niemand
mindern, hunc dolorem nemo levare potest. ebenda; allen ver-
drusz mindern, elevare omnem molesliam. ebenda; ein ver-
znügtes herz mindert die sorgen, animus sua sorfe contentus
zlevat, sollicitudines. ebenda; gleichsam wie jener vater, der
den verlust seines erwachsenen sohnes zu mindern, selbigen
nur in gestalt eines kindes abmahlen lassen. BESSER (1720)
231; lieber baron, kann es ihren gram vielleicht mindern,
wann ich ihnen gestehe, dasz ich sie herzlich bedaure?
SCHILLER kab. u. liebe 5,3;
diu ijure gesazte nöt
diu ne wirt iu nieht geminneröt,
exodus in‘ den fundgr. 2,97, 35;
zu mindern meine pein, ZINKGREF bei Opıtz (1624) 212 :
nicht dasz man mindre
der langen marter grimm, dasz man die schmerzen lindre.
A. GRYPHIUS (1698) 1,35:
geduld läst mit der zeit von dornen feigen lesen,
und mindert nach und nach was seel und leib beschwert,
GÜNTHER S4;
ein solcher geist brennt vor begier °
der unterthanen last zu mindern. 138;
reichthum kan den gram nicht lindern,
ehre kan den schmerz nicht mindern. 180;
der tod des hahns sollt ihre plage mindern.
GELLERT 1,176;
diesz mehre deine lust, und mindre deinen schmerz. 2,27:
nichts kann ihr elend mindern!
WIELAND 23,105 (Oberon 8,59);
gott sandte seinen rohen kindern
gesetz und ordnung, wissenschaft und kunst,
begabte die mit aller himmelsgunst,
der erde grasses loos zu mindern. GörTHE 3,180.
2) mindern reflexiv, sich verringern, weniger oder schwächer
verden* daz sich des menschen lachen mere näch des milzen
zreezen und sich minder näch des milzen klainen. MEGEn-
3ERG 31,9; SÖ sich diu vaizten ie paz mert in dem tier, sö
ninnert sich daz pluot ie vester in dem tier. 115, 36; dasz der
mon sich mindert, und im abnemen ist. KöserL rechenbuch
‘1544) 94°; dir erscheinet in der manigfaltigung eins bruchs,
wie sich der bruch minder, und in der teilung, wie er sich
mere. 64°; wenns tag wird, pflegt sich die krankheit zu
mindern, dies adimit aegritudinem hominibus. StTIELER 1277;
zeine gewalt hat sich sehr gemindert, potestas ejus in angustum
redacta est. ebenda; die kälte mindert sich, remittit frigus.
FRISCH 1,664‘;
was ich sonst, als deine gabe,
noch auf erden habe,
an vermögen, glück und ehren,
mag sich mindern oder mehren,
du wirst mirs zum besten kehren, Canız 5;
das unglück mindert sich, das glück wird gröszer.
GÖTBE 13. 266.
140%