Full text: L. M. (6. Band)

2239 MINNE 
im altnord., wo das neufr. minni andenken, erinnerung, ge- 
dächtnistrank (für mindi, wie munnr mund für mundr), viel 
mehr dem goth. gaminpbi uvela entspricht und mit goth. ana. 
minds vröro.x in verbindung steht, noch endlich im ags., we 
ein seltenes myne, vif-myne liebe, aus der bedeutung der ab- 
sicht, des strebens erwachsen, zu goth. muns gedanke, ratschlus: 
tritt. allerdings sind sämmtliche angeführte bildungen zw ein- 
ander in entfernterer verwandtschaft, insofern sie auf die wurzei 
man, sanskr. manyate denken, meinen (vgl. griech. (u&vos mul, 
sinn, uınanOKa sich erinnern, lat. mens, memini) zurück- 
führen; minne aber steht zunächst im ablautverhältnisse zu dem 
nur dem westgermanischen angehörigen, jünger gebildeten meinen 
sp. 1924, und wenn dies aus dem begriffe im sinne haben, ge- 
sinnt sein, zu der des fürsorglich, liebend gesinnt seins über- 
springt, so ist auch für minne die entfaltung der bedeutung 
gewiesen, die zunächst die handlung des sinnens, denkens ist 
aber alsbald zu dem bedeutenden sinne des geneigten denkens, 
der fürsorge und zärtlichkeit sich wendet, und von da aus sich 
weiter entwickelt; in reicher art im ahd. und mhd., um dann 
für jahrhunderte einzugehen und wieder: zum leben erweckt zu 
werden; in ursprünglich völliger bedeutungsverschiedenheit von 
liebe, das eigentlich verlangen ausdrückt (vergl. sp. 896); bald 
aber, indem die begriffe beider worte in einander übergehen, wo- 
durch liebe selbst das edlere wird und allein weiter lebt. 
2) minne, zunächst der helfende, erbarmende sinn, fürsorg- 
liche liebe: inti bithiu ginuhtsamöt unreht, ercaltet minna 
managerö (et quoniam abundavit iniquitas, refrigescet caritas 
multorum). Tat. 145,9; kezimberot uuerden die festina unserro 
untödigi in geloubo, kedingi unde an minnon (in fide, spe el 
;aritate). NOTKER ps. 50, 20; 
so uuer so ouh muas eigi, gebe themo ni eigi; 
thaz mit minnu gidua Joh gib thaz drinkan tharzua. 
OrFrID 1,24,8; 
ichn tuon diu rehten werc, ichn hän die wären minne, 
ze minen ebenkristen, herre vater, noch ze dir. 
WALTHER 26,6; 
in der christlichen formel in der minne, in carilale: 
swaz ir einem armen siechen 
welt geben in der minne, 
durch got, daz gebt mir hinne. Helmbrecht 1769; 
namentlich auch die erbarmende liebe gottes und Christi zu den 
nenschen : 
augit er dio mäsün diö er in menniski 
duruh desse mancunnes minna [intfenc). } 
Muspilli 104; 
lur minne wart der alte junc, 
der ie was alt äne ende, 
von himel tet er einen sprunc 
her abe in diz ellende. minnes. 2,175* Hagen. 
3) dann auch die hingebende liebe des menschen zu golt; inti 
forliezut thiu där hevigerün sint &uuä, duom inti miltida 
inti treuna inti gotes minna (judicium et misericordiam et fidem 
et caritatem). Tat. 141,17; die sih ze gote becherent, unde 
ouh die, die sih zundent mit dero gotes minno. NOTKER ps. 
30, 21: 
daz understünden helde güt, 
die hatten ellenthaften müt, 
dar zü die wäre minne. livl, chron. 625; 
in der sprache der mystiker häufig und in überschwänglicher 
eigenart, mit rücksicht, und wiederum im gegensatz zu minne 5: 
daz ist daz süeze gebet, 
dä diu sele inne 
ertrinket in der minne, 
LAMPRECHT VON REGENSBURG fochter Syon 1227 
darumb mäület man fraw Venus blind und awgenlos, wann 
sie in liebes awgen verlieret ir eigens rechtes kiesen. und 
als daz war ist nach zeitlicher minne, vil me ist es auch 
war nach geistlicher minne, Suso briefe 27; und also wenn 
die naturlich edlen herczen denn innen werdent seiner gött- 
lichen heimlikeit und seiner verborgener minn, so werdend 
sie recht wund in seiner minn, und rewet sy denn und 
sprechend: ach gruntlose güte, lasz dir geclagt sein, daz 
ich disz nit von erste enwest; ich han doch in keiner minn 
[unden denn we und unstetikeit, aber nun han ich fnndep 
den, dez mein sel begert. 34; 
ich was liebes wol geweide, 
do ich siner (Jesus) minnen phlac, 
geistl. lied des 14. jahrh, in Wackernagels 
leseb. 1 (1873), 1179: 
under des crüzes aste 
do schenkt man cipperwin, .. 
des söllen die lieben selen 
von minne trunken sin. UHLAnD valksl, 884 (15, jh.):; 
MINNE 2240 
ınd was einhrinstig in götlicher minne. heiligen leben (1472) 
42°; das hohe lied Salomonis hiesz der minnen buch: züch 
nich her nach dir, das wir laufen in dem süszen schmak 
leiner salb, als geschriben stat in der-minnen püch. MEISTER 
INGOLD gold. spiel 73,20 Schröder. s. unter minnebuch. 
4) in der rechtssprache bezeichnete minne das freiwillige, güt- 
üiche leisten, vergleich gegenüber rechtlichem zwange: ab zwüne 
\f ein güt sprechen näh deme drizigesten, jene, der ez under 
‘me hät, der ensal ez nicheime antwurten, sie en vereinen 
sich mit minnen, oder der eine wise den anderen abe vor 
zerichte mit rechte. Sachsensp. 3, 15, 1; geloben ouch vil lüte 
xinem manne eine schult zu geldene, und entphäen daz ge- 
lobede mö@r lüte: swar man ez gelobede leistit deme man ez 
zelden sal, oder mit sinen minnen (gütlich, freiwillig) seczt, 
1ä hät man ez in allen geleistet, den man ez gelobet hatte. 
35,2; (bannrichter, die) nach der minne us geseit und er- 
xennet hetten (in einem gütlichen schiedsspruche). Basler rechtsqu. 
1,29 (von 1340); daruff wisten sie, waz clagen vor gerichten 
uden (laut werden) und in daz buch geschriben werden, so 
;y die minne gehborn (gütlichen vergleich hervor gerufen haben), 
laz sin (davon) vu heller eime scholteiszen und faude zu 
zehen, weisth. 2, 218 (Hunsrück, von 1407); auch auszerhalb der 
°echtssprache, mit minnen, in güte: 
her Iwein, dä gedenket an, 
und vart mit uns von hinnen 
und gwinnet mit minnen 
der küneginne ein urloup abe. Iwein 2886: 
namentlich in formelhaften verbindungen zu, nach, mit minne 
oder recht (über welche HomEeYErR eine abhandlung ‘der minne 
ınd des rechts eines andern mächtig sein’ schrieb, Berlin 
\866): dem sol er wider geben näch rehte oder näch minnen. 
Schwabensp. 71, 8; den ich wider (weder) mit minne noch mit 
echte nicht abeweisin konde. Magdeb. blume 1,155; so offent 
nan euch, das mein fraw oder jr anwalt, wem si gewalt 
larzu geit, hat einen gewaltigen richttag in jrer freyen stift 
etzo in dem pawtäding mit minn oder mit recht, umb alles, 
las jr lawt und gueter angehört oder anget. weisfh. 3, 734 
Tirol); und von des schmerzen und schaden wegen, darumb 
;öllent si zuo baidersait uf ainen gemainen mit glichem zuo- 
jatz zu minn und recht komen, als man des zu sant Gallen 
öch pfligt. 5,184 (von 1462); mag es nit zuo minn oder zu6 
'echt betädigot oder gericht werden, dann das ein krieg 
larusz wirt, so müssen wir jnen helfen, ETTERLIN 166; so 
hettent sich villicht die von Zürich guotlichen (ohne krieg) 
intweders zu recht oder zu minn lassen betädigen. ebenda; 
lie weil wolten die dreiczechen mit der minn versuchen, 
»>b si ym indert nächner mochten komen, geschaech dez 
ıicht, so solt yeder tail an mantag zu dem rechten Komen. 
2. städtechron. 15, 578 (Ingolstadt, von 1399); auch mnd. minne 
belieben, gütliches übereinkommen , mit derselben formel minne 
ınde recht w%. ähnl. ScaiLLER-LÜBBEN 3,93°. das in diesem 
inne sonst seit dem 16. jahrh. verlorene wort hat sich in der 
Schweiz erhalten, wo bei gerichten die wendungen sich in minne 
vergleichen , auseinandersetzen, mit minne etwas erreichen, 
»ft gehört werden. 
5) minne in der formel minne trinken, einen abschiedstrunk 
mit einem theilen, als zeichen des verbundenseins auch nach 
ler trennung, vergl. unter Johannes th. 4?, 2333 und das dort 
angezogene. es. wurde vorzüglich Johannis minne gefrunken, 
zesegnel: (ein zum zweikampf geforderter) gieng vor zun pre- 
digern ins closter und was pei vier messen und lJiesz im 
segen sant Johanns minn. d. städtechron, 10, 375, 10; 
doch wollen wir vor (ehe ich fort musz) sand Johanns minne 
- trinken, fastn. sp. 860, 12; 
zuch Gertruden minne (die heilige Gertrudis von Nivelle, + 654, 
war schutzpatronin der reisenden): 
post poscit vinum, Gerdrudis amore quod haustum 
participat nos tres; postremo basia figens, 
quando vale dixit, post nos gemit et benedixit. 
Ruodlich 4,162 Seiler; 
ze hant truog er im dö 
ze heiles gewinne 
sant Gertrüte minne. 
alsö reit er snahtes dan. Erec 4023; 
in ironischen wendungen, einen schlimmen abschied nehmen, 
geben: 
‘nu trinken wir die minne und gelten sküneges win, 
der junge voit der !Miunen der muoz der aller erste sin.’ 
dö sluoc daz kint Ortliebhen Hagen der helt guot. 
Nibel. 1897, 3 :
	        
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