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im altnord., wo das neufr. minni andenken, erinnerung, ge-
dächtnistrank (für mindi, wie munnr mund für mundr), viel
mehr dem goth. gaminpbi uvela entspricht und mit goth. ana.
minds vröro.x in verbindung steht, noch endlich im ags., we
ein seltenes myne, vif-myne liebe, aus der bedeutung der ab-
sicht, des strebens erwachsen, zu goth. muns gedanke, ratschlus:
tritt. allerdings sind sämmtliche angeführte bildungen zw ein-
ander in entfernterer verwandtschaft, insofern sie auf die wurzei
man, sanskr. manyate denken, meinen (vgl. griech. (u&vos mul,
sinn, uınanOKa sich erinnern, lat. mens, memini) zurück-
führen; minne aber steht zunächst im ablautverhältnisse zu dem
nur dem westgermanischen angehörigen, jünger gebildeten meinen
sp. 1924, und wenn dies aus dem begriffe im sinne haben, ge-
sinnt sein, zu der des fürsorglich, liebend gesinnt seins über-
springt, so ist auch für minne die entfaltung der bedeutung
gewiesen, die zunächst die handlung des sinnens, denkens ist
aber alsbald zu dem bedeutenden sinne des geneigten denkens,
der fürsorge und zärtlichkeit sich wendet, und von da aus sich
weiter entwickelt; in reicher art im ahd. und mhd., um dann
für jahrhunderte einzugehen und wieder: zum leben erweckt zu
werden; in ursprünglich völliger bedeutungsverschiedenheit von
liebe, das eigentlich verlangen ausdrückt (vergl. sp. 896); bald
aber, indem die begriffe beider worte in einander übergehen, wo-
durch liebe selbst das edlere wird und allein weiter lebt.
2) minne, zunächst der helfende, erbarmende sinn, fürsorg-
liche liebe: inti bithiu ginuhtsamöt unreht, ercaltet minna
managerö (et quoniam abundavit iniquitas, refrigescet caritas
multorum). Tat. 145,9; kezimberot uuerden die festina unserro
untödigi in geloubo, kedingi unde an minnon (in fide, spe el
;aritate). NOTKER ps. 50, 20;
so uuer so ouh muas eigi, gebe themo ni eigi;
thaz mit minnu gidua Joh gib thaz drinkan tharzua.
OrFrID 1,24,8;
ichn tuon diu rehten werc, ichn hän die wären minne,
ze minen ebenkristen, herre vater, noch ze dir.
WALTHER 26,6;
in der christlichen formel in der minne, in carilale:
swaz ir einem armen siechen
welt geben in der minne,
durch got, daz gebt mir hinne. Helmbrecht 1769;
namentlich auch die erbarmende liebe gottes und Christi zu den
nenschen :
augit er dio mäsün diö er in menniski
duruh desse mancunnes minna [intfenc). }
Muspilli 104;
lur minne wart der alte junc,
der ie was alt äne ende,
von himel tet er einen sprunc
her abe in diz ellende. minnes. 2,175* Hagen.
3) dann auch die hingebende liebe des menschen zu golt; inti
forliezut thiu där hevigerün sint &uuä, duom inti miltida
inti treuna inti gotes minna (judicium et misericordiam et fidem
et caritatem). Tat. 141,17; die sih ze gote becherent, unde
ouh die, die sih zundent mit dero gotes minno. NOTKER ps.
30, 21:
daz understünden helde güt,
die hatten ellenthaften müt,
dar zü die wäre minne. livl, chron. 625;
in der sprache der mystiker häufig und in überschwänglicher
eigenart, mit rücksicht, und wiederum im gegensatz zu minne 5:
daz ist daz süeze gebet,
dä diu sele inne
ertrinket in der minne,
LAMPRECHT VON REGENSBURG fochter Syon 1227
darumb mäület man fraw Venus blind und awgenlos, wann
sie in liebes awgen verlieret ir eigens rechtes kiesen. und
als daz war ist nach zeitlicher minne, vil me ist es auch
war nach geistlicher minne, Suso briefe 27; und also wenn
die naturlich edlen herczen denn innen werdent seiner gött-
lichen heimlikeit und seiner verborgener minn, so werdend
sie recht wund in seiner minn, und rewet sy denn und
sprechend: ach gruntlose güte, lasz dir geclagt sein, daz
ich disz nit von erste enwest; ich han doch in keiner minn
[unden denn we und unstetikeit, aber nun han ich fnndep
den, dez mein sel begert. 34;
ich was liebes wol geweide,
do ich siner (Jesus) minnen phlac,
geistl. lied des 14. jahrh, in Wackernagels
leseb. 1 (1873), 1179:
under des crüzes aste
do schenkt man cipperwin, ..
des söllen die lieben selen
von minne trunken sin. UHLAnD valksl, 884 (15, jh.):;
MINNE 2240
ınd was einhrinstig in götlicher minne. heiligen leben (1472)
42°; das hohe lied Salomonis hiesz der minnen buch: züch
nich her nach dir, das wir laufen in dem süszen schmak
leiner salb, als geschriben stat in der-minnen püch. MEISTER
INGOLD gold. spiel 73,20 Schröder. s. unter minnebuch.
4) in der rechtssprache bezeichnete minne das freiwillige, güt-
üiche leisten, vergleich gegenüber rechtlichem zwange: ab zwüne
\f ein güt sprechen näh deme drizigesten, jene, der ez under
‘me hät, der ensal ez nicheime antwurten, sie en vereinen
sich mit minnen, oder der eine wise den anderen abe vor
zerichte mit rechte. Sachsensp. 3, 15, 1; geloben ouch vil lüte
xinem manne eine schult zu geldene, und entphäen daz ge-
lobede mö@r lüte: swar man ez gelobede leistit deme man ez
zelden sal, oder mit sinen minnen (gütlich, freiwillig) seczt,
1ä hät man ez in allen geleistet, den man ez gelobet hatte.
35,2; (bannrichter, die) nach der minne us geseit und er-
xennet hetten (in einem gütlichen schiedsspruche). Basler rechtsqu.
1,29 (von 1340); daruff wisten sie, waz clagen vor gerichten
uden (laut werden) und in daz buch geschriben werden, so
;y die minne gehborn (gütlichen vergleich hervor gerufen haben),
laz sin (davon) vu heller eime scholteiszen und faude zu
zehen, weisth. 2, 218 (Hunsrück, von 1407); auch auszerhalb der
°echtssprache, mit minnen, in güte:
her Iwein, dä gedenket an,
und vart mit uns von hinnen
und gwinnet mit minnen
der küneginne ein urloup abe. Iwein 2886:
namentlich in formelhaften verbindungen zu, nach, mit minne
oder recht (über welche HomEeYErR eine abhandlung ‘der minne
ınd des rechts eines andern mächtig sein’ schrieb, Berlin
\866): dem sol er wider geben näch rehte oder näch minnen.
Schwabensp. 71, 8; den ich wider (weder) mit minne noch mit
echte nicht abeweisin konde. Magdeb. blume 1,155; so offent
nan euch, das mein fraw oder jr anwalt, wem si gewalt
larzu geit, hat einen gewaltigen richttag in jrer freyen stift
etzo in dem pawtäding mit minn oder mit recht, umb alles,
las jr lawt und gueter angehört oder anget. weisfh. 3, 734
Tirol); und von des schmerzen und schaden wegen, darumb
;öllent si zuo baidersait uf ainen gemainen mit glichem zuo-
jatz zu minn und recht komen, als man des zu sant Gallen
öch pfligt. 5,184 (von 1462); mag es nit zuo minn oder zu6
'echt betädigot oder gericht werden, dann das ein krieg
larusz wirt, so müssen wir jnen helfen, ETTERLIN 166; so
hettent sich villicht die von Zürich guotlichen (ohne krieg)
intweders zu recht oder zu minn lassen betädigen. ebenda;
lie weil wolten die dreiczechen mit der minn versuchen,
»>b si ym indert nächner mochten komen, geschaech dez
ıicht, so solt yeder tail an mantag zu dem rechten Komen.
2. städtechron. 15, 578 (Ingolstadt, von 1399); auch mnd. minne
belieben, gütliches übereinkommen , mit derselben formel minne
ınde recht w%. ähnl. ScaiLLER-LÜBBEN 3,93°. das in diesem
inne sonst seit dem 16. jahrh. verlorene wort hat sich in der
Schweiz erhalten, wo bei gerichten die wendungen sich in minne
vergleichen , auseinandersetzen, mit minne etwas erreichen,
»ft gehört werden.
5) minne in der formel minne trinken, einen abschiedstrunk
mit einem theilen, als zeichen des verbundenseins auch nach
ler trennung, vergl. unter Johannes th. 4?, 2333 und das dort
angezogene. es. wurde vorzüglich Johannis minne gefrunken,
zesegnel: (ein zum zweikampf geforderter) gieng vor zun pre-
digern ins closter und was pei vier messen und lJiesz im
segen sant Johanns minn. d. städtechron, 10, 375, 10;
doch wollen wir vor (ehe ich fort musz) sand Johanns minne
- trinken, fastn. sp. 860, 12;
zuch Gertruden minne (die heilige Gertrudis von Nivelle, + 654,
war schutzpatronin der reisenden):
post poscit vinum, Gerdrudis amore quod haustum
participat nos tres; postremo basia figens,
quando vale dixit, post nos gemit et benedixit.
Ruodlich 4,162 Seiler;
ze hant truog er im dö
ze heiles gewinne
sant Gertrüte minne.
alsö reit er snahtes dan. Erec 4023;
in ironischen wendungen, einen schlimmen abschied nehmen,
geben:
‘nu trinken wir die minne und gelten sküneges win,
der junge voit der !Miunen der muoz der aller erste sin.’
dö sluoc daz kint Ortliebhen Hagen der helt guot.
Nibel. 1897, 3 :