605 LEIBLICH
selbst in bezug auf worte, den äuszerungen der eigenen person
gesindel, sei still, oder trolle dich fort!
ich höre kaum selber mein leibliches wort.
H. Heine 15,32.
2) leiblich, in die bedeutung des wirklichen, wahren übergehend
(wie leibhaft und leibhaftig sp. 601 fg.): Matthesius nennet ihn
(den Jotham) einen weisen, einen groszen regenten, und leib-
lichen heiland in Israel. ScHupprus 843; auch von dingen und
hier einem blosz gedachten gegenstande gegenüber: das deine teg-
liche und leibliche wunderthaten hierausz.. erkandt werden.
MarTuEs. Sar. 27°; andere glauben, das die strafe gottes durch
solchen brennenden schwefel-pful gleichniszweise bedeutet
werde, weil die sele ein geist und von dem leiblichen feuer
nicht könne gekwählet werden. Burschuky Patm. 565; sy glauben
alles, so in den propheten verheiszen, leiplich. Franx welt-
buch 122°.
3) leiblich, in der sprache des neuen testaments als irdisch,
vergänglich, dem geistlichen, himmlischen entgegengesetzt (vgl. dazu
„uch fleischlich): doch werden solche leibliche trübsal haben
1 Cor. 7,28; so wir euch das geistliche seen, ists ein gros
ding, ob wir ewer leibliches erndten? 9,11; denn so die
heiden sind jrer geistlichen güter teilhaftig worden, ists bil-
lich das sie auch in leiblichen gütern dienst beweisen. Röm.
15, 27; jr knechte seid gehorsam ewren leiblichen herrn. Eph.
6,5; denn so der ochsen und der böcke hlut.. heiliget die
unreinen zu der leiblichen reinigkeit, wie viel mehr wird das
blut Christi... unser gewissen reinigen. Ebr. 9,13; auch so
wir haben unser leibliche veter zu züchtigern gehabt, und
sie geschewet, solten wir denn nicht viel mehr unterthan
sein dem geistlichen vater? 12,9; und danach sonst: einer
(dine art krieg) gehet zu mit stechen und brechen... das ist
ein leiblicher krieg. LuTHER 3, 180* (vorher: ein geistlich krieg
sols sein); gott aber hat diesem leiblichen groben volk, leib-
liche verheiszung fürgeschlagen, sie solten aber darunter ver-
standen haben die geistliche zusagung. 4, 506*; sol verbrennen
und verzeren solchen leiblichen streit. ebenda; er gibt aber
im newen testament nicht leiblich der heiden erbe, wie er
den kindern Israel gab, sondern geistlich, das ist, wo vorhin
heiden gewest, gewonet und geerbet haben, da sind nu christen.
5, 214°.
4) leiblich, den körper, seine theile , seine bedürfnisse, eigen-
schaften, gebrechen angehend: wenn er (der vogel lucinia) seineu
air prüett, sö singet er die langen naht mit gar süezem gesang
und ist sein mainung, er well seineu air lebendig machen
mit gesang und mit leipleicher hitz. MEGENBERG 204,2; also
schlüg ouch got einen dort mit der rüten Ilyblicher krank-
heit. KEISERSBERG bilg. 75°; (dasz der notar) das, so er mit
leiblichen sinnen vermerkt..in seinem protocoll aufschreibe.
ordnung der notarien, Cöln 1512 $ 6; er uberwand aber das
schreckliche wesen, nicht mit leiblicher macht, noch mit
waffen kraft, sondern mit dem wort warf er sich unter den
plager. weish. Sal. 18,22; Jhesus aber saget von seinem tode,
sie meineten aber, er redet vom leiblichen schlaf. Joh. 11,13;
der ist gleich einem man, der sein leiblich angesichte im
spiegel beschawet. Jac. 1,23; leibliches vermögen, vis cor-
porea STIELER 1133; leiblicher besitz, possessio corporalis FrıscH
1,600 ;
) der ritter Edmund war ein frommer christ,
doch hatt er nicht das leibliche vergessen:
so war er eben auch zu jener frist
mit frau und kindern an den tisch gesessen.
UHLAND ged. 449;
und der heilige geist fuhr ernidder, in leiblicher gestalt auf
jn, wie eine taube (owuartıxd Elder woel MEQLOTEOAV,
corporali specie sicut columba). Luc. 3,22: ein falscher heiliger
Franziskus spricht:
dochter, ich wünsch dir heil und gnad
und komm zu dir den abent spat
leiblich, wie ich dir oft erschin.
J. AYRER fastn. sp. 136° (3018, 20 Keller);
und so von erscheinungen : Kbliche erscheinunge, fantasia. voc.
inc. theut. mA);
sie liesz mich zwar, in sanct Andreas nacht,
den künftgen liebsten leiblich sehen. GörTHE 12,51.
in der formel etwas mit leiblichen augen sehen steht leiblich
beim substantiv nur noch verstärkend : wenn er auch vor meinen
‚eiblichen augen verschwindet. BETTINE 1,44.
5) leiblich, mit geschlechtlichem beisinne: wenn die hennen
ze vil airnt. sö sterbent si schier. als heschiht den läuten.
LEIBLICH — LEIBPACHT 606
‘ie sich ze vil underwindent leipleicher werk. MEGENBERG
93, 20; leibliche lüste, voluptates carnis. STIELER 1133,
6) leiblich, in bezug auf geburt und verwandtschaft: leiblicher
rüder, natürlicher brüder von vatter und müter, germanus
frater MAALER 269°; leibliche schwester, germana. STIELER 1133;
neine leibliche mutter, mater mea naturalis. STEINBACH 1,1027;
leibliche kinder, Zberi germani, ex üisdem parentibus nati FrıscH
1, 600°; leiblicher vater, qui natura pater est, naturalis. ebenda ;
wann ich dich an eins lyblichen bruders statt lieb gehabt
'3ab. Terent. deutsch (1499) 16°;
ein leiblicher sohn des Odysseus. Odyss. 1,208.
s. eheleiblich.
7) der leibliche eid ist der feierliche, mit anrührung der körper
der heiligen oder mit zu golt emporgerichteten fingern geschworen,
im gegensalze zum schlechten eide, bei dem nur die eidesformel
gesagt wird (der... sollichs bei seinen schlechten eide, unauf-
zerockt, aussagen wurde. HALTAUS 1635, v. 1490): de gesichert
ınd geschworen hant zu den heiligen, de se leiflich geroirt
nant. HALTAUS 1246 (von 1334); an den hylgen gesworen mit
ıpgerichten lifliken vlesliken vingeren und statten (l. staften)
eiden. ebenda (von 1393); die schwuren einen leiblichen eid
‘ür den bapst, das der bischof nicht verhungert. HENNnE-
BERGER 451; wiewol er und seine spieszgesellen den herzogen
ausz Schwaben und Franken leiblich geschworen, trew zu
3eiN. ZINKGREF apophth. 1,35; wenn einer auf universitäten
xombt, musz er sich alsbald bei dem rectore angeben, und
ginen leiblichen eid schweren, dasz er die leges und statuta
academica observiren wolle. ScHuPPIUS 265,
8) leibliche sterne, bei ParRAcEeLsus sterne, die einflusz auf dıe
vörperbeschaffenheit des menschen haben: alle leibliche sternen
sind der weisze geneigt. opp. 1,521C. s. leibstern.
LEIBLICHKEIT, f. körperlichkeit, leben auf dieser körperwelt :
la selbige.. den heutigen abend schwerlich überleben, son-
lern aus dieser leiblichkeit einziehen wird in die ewige herr-
lichkeit. J. PauL Til. 4,25;
sie berüert mehr kein leibligkeit,
sind ganz ausz aller statt und zeit
in got als auszerwelte geist. H. Sacus 3,1,264';
im plur, körperliche wesen :
des todes gift-arznei vertreibt die leibligkeiten.
WIEDEMANN sepl. 24.
LEIBLIED, n. Keblingslied: sie hat eine melodie, die sie
auf dem claviere spielt...es ist ihr leiblied. GÖöTHE 16, 55,
lim. leibliedchen: es ist auch mein leibliedchen. 29, 280.
LEIBLÖCHLEIN, n.: wenn du den scorpen (scorpion) in
51 ertrenkst und geuzst ezzeich dar auf under der sunnen
schein, so wirt er zehant lebentig, wann daz öl verschoppet
liu leiplöchel, din an dem menschen swaizlöchel haizent und
‚eg Jatein pori: so öffent der ezzeich diu selben löchel an
dem scorpen. MEGENBERG 282,34; daz derlai holz (von tannen)
von seiner lüftigen nätür gesträutes leibes ist und vol gar
klainer leiplöchel, diu wir an uns swaizlöchel haizent, 314,22;
wie man dem güten win thüt, der da sol kreftig luter und
itark werden, den thüt man in ein stark wol gebunden vasz,
las wol verschlagen ist und lot im kein liblöchlin, und so
wird er heisz in im selber. KEISERSBERG bilg. 87°.
LEIBLOS, adj. 1) wie mhd, liplös, libelös, des lebens los;
in den formeln einen leiblos machen, tödten, leiblos werden:
wer es sach, das einer den anderen leiblos machte. weisth.
2,162; da einer in den vier gemeinden wäld leiblos gemacht
wird. 187; ehe wolt ich dz ich mich ganz leiblosz gemacht
2ett. Galmy 173; ich liesz sie hören ein schusz ausz einer
yüchsen, da waren sy vor forcht schier gestorben und leib-
osz worden. S. Frang weltb. (1567) 220°.
2) körperlos, von gespenstern: bisher ist die welt vol leib-
loser poltergeister gewesen, die sich für der menschen seelen
ausgaben, itzt ist sie vol leibhaftiger rumpelgeister worden,
die sich alle für lebendige engel ausgeben. LUTHER 3, 101°.
LEIBMARTELER, m. der den leib martert; von ärzten: was
wolten dise leibmartler wissen, was da fehlet meim magen,
ınd understen kränchskragen: sie ernurkratzen nur die seckel.
Zarg. 161°.
LEIBNIS, f. erhaltung (vgl. das verbum leiben schonen sp. 594) :
wenn wir nun in seiner krankheit jemandt trösten wöllen,
ınd bereden, er solle etwas zur leibnisz und sterke zu sich
ıemen. AGR. spr. 191°. ,
LEIRPACHT. ff vacht auf lebenszeit.