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LIED — LIEDEL
wollt ich alles lassen, wenn ich nur, wie Dido, so viel klima
mit riemen umspannen könnte, um unsere wohnungen damit
einzufassen. 27, 157; Mayer, nach Lichtenbergs tod, stimmt in
einem neuen compendium das alte lied an. 54,188;
laszt euch das alte lied vom schämen nicht bethören.
LocAu 2, 12,37;
das alte lied! einmal für allemal,
nichts mehr von diesem thörichten verdacht!
ScHILLER Wallensteins tod 3,7;
das ende vom liede, schlusz, ausgang einer sache, auch um-
gekehrt? das ist das lied vom ende, ex hoc pendet tota can-
klena STEINBACH 1,1052; und können gehn! ja ja; das ist
das ende vom liede! LEssınG 2,147; der mensch entstehet
aus morast, und watet eine weile im morast, und macht
morast, und gährt wieder zusammen in morast, bis er zuU-
letzt an den schuhsohlen seines urenkels unflätig anklebt.
das ist das ende vom lied. ScHILLER rduber 4,2; ein paar
thaler hier, ein paar thaler dort, die verbrauche man un-
gsinnet, und am ende vom lied habe man nichts mehr und
wisse nicht wohin es gekommen. J. GorrHELF schuldenb. 231;
und damit lied am ende! Göckınek 3,226;
der andre sprach: das lied ist aus,
auch ich möcht mit dir sterben. H, Hzınz 15, 55;
Jessen brot einer isset, dessen lied singet er. LEHMANN 90;
die alten sprüche sagent uns das: swes bröt man ezzen wil,
des liet sol man ouch singen gerne, und spiln mit vlize, swes
er spil. minnes. 2,153 Hagen;
ein lied von etwas singen können, zu singen wissen, bezüglich
eines berichtes über etwas bedeutendes selbst durchlebtes? er weisz
ein lied von dem aufenthalt in jenen unwirtlichen gegenden
zu singen; glaube mir, ich kenne diesen schlag von weibern,
und die art, wie sie sich für die mühe, ihre jungen freunde
zu bilden und in die welt einzuführen, bezahlt zu machen
pflegen, und ich könnte dir ein lied davon singen, wiewohl
mich keine von ihnen je gefangen hat. WIELAND 33, 191.
LIEDBEGABT, part. +
dank dir, schlangenüberwinder,
für den liedbegabten mund. KÖRNER 1,234,
LIEDCHEN, n. kleines oder kurzes lied, niederd. liedeken,
edeken:
ich wel zieren mynen lip (spricht Maria Magdalena),
want ich bin ein schones wip,
und wel auch gm reien
mit pfaffen und mit leien;
darumb wel ich springen
und ein gut litgen singen,
Alsfeld. passionsspiel in Haupts zeitschr. 3, 494,26 ;
sie braucht der ammen kunst, singt beider kinder ohr
ein süszes liedchen vor;
diesz liedchen lockt den schlaf. HAGEDORN 3,174;
wenn, beste, du dies liedchen siehst. STOLBERG 1,80;
plur. liedchen und liederchen: vom letzten (Wieland) ist das
liedchen: Ariels probe, oder vielmehr beide liederchen. HERDER
in Mercks briefs. 1,13;
man lispelt leichte liedchen, man spitzt manch sinngedicht.
UHLAND gJed, 357;
sprichwörtlich: man singt auch nicht alle liedchen aus, wenn
man das liedchen zu hoch anfängt, so erliegt man im singen.
jedermann singt das liedchen dem loch unter der nase zu
ljeb. Sımrock sprichw. 346; sein altes liedchen singen;
denn kaum
dasz man den nachtisch aufgetragen,
so stimmt er schon sein altes liedchen an:
wo bleibt mein zaum? WIELAND 18, 347;
er (der mensch) scheint mir, mit verlaub von ew. gnaden.
wie eine der langbeinigen cicaden,
die immer fliegt und Niegend springt
und gleich im gras ihr altes liedchen singt. GörTHE 12,23;
ach! da weisz ich mein liedchen von zu singen! LENnz 1,158.
vgl. lHiedel und liedlein.
LIEDEL, n. oberdeutsche koseform zu lied, bair. lied] Scum.
1, 1443 Fromm, ;
mhd. wizzet daz ich noch ein niuwez liedel von in tihte.
NzE1nHART 67,6;
lied, carmen , cantilena, vulg. liedel. voc. inc. theut. n1'; in
traulicher rede auch in der modernen schriftsprache verwendet:
eur batzen soll euch nicht,
geehrte herrn, gereuen. N
mein liedel soll euch freuen. BÜRGER 21°;
ergreife du die fiedel,
du lustger spielmann du,
von meinem schatz das liedel
das singe ich dazu.
® GeieerL “der mai ist aekommen.
LIEDELN — LIEDERKRAFT 986
LIEDELN, verb. kleine lieder dichten oder singen * im anfange,
ıls Gellert und Gleim noch neu waren, da fabelten oder
‘jedelten sie (schlechte dichter). KLOPsTOcK 12, 262;
oft liedelst (du) froh. Voss 6, 106,
LIEDELWURST, f. für niedelwurst, leberwurst mit niedel:
ichlachtete er, die gröszte liedelwurst war mein. CHR. WEISE
xust, redner s. 166.
LIEDERARTIG, adj.” von der bewegung einer liederartigen
veise. GÖTHE 15, 324.
LIEDERBRUT, f., in bezug auf die leistungen schlechter lieder-
lichter +
wie hasz ich diese liederbrut
der affen deines Gleims, die deinen (der Venus) ruhm ent-
weihen. Uz 1 (1768), 78.
LIEDERBUCH, n. buch in welchem lieder stehen ; liber musi-
alis, cantilenarum STIELER 256; vgl. mhd,
der Manez rang dar näch endliche,
daz er diu lieder buoch nü hät.
J. HADLAUB in Wackernagels leseb. 1 (1873) sp. 1021;
das alte liederbuch, darin er las,
ist aufgeschlagen, wo er aufgehört:
ihr könnt fortlesen, wo der vater blieb,
as kommen erst die herrlichsten Geschichten
HLAND ged. 159.
lim. liederbüchlein: liederbüchlein, darinn begriffen sind zwei
ıundert und sechzig allerhand schöner weltlicher lieder. titel
les Ambraser liederbuchs.
LIEDERDICHTER, m. versificator, rhylhmorum confeclor, can-
lenarum compositor. STIELER 297; ein werk des Alcäus, des
jederdichters. HAGEDORN 3,160,
LIEDERFEIND, m.- liederfeind, musikfeind, osor carminum,
'nfensus arli musicae. STIELER 461.
LIEDERFEST, n. fest welches gesangvereine durch öffentlichen
‚ortrag von liedern begehen, gesangfest: nachdem auf dem Frank-
'urter sängertag beschlossen, dasz das nächste deutsche lieder-
’est im jahre 1873 abgehalten werden soll. Frankfurter journal
‚om 1. sept. 1871.
LIEDERFREUND, m. freund der lieder, des gesanges. auch
'on weiblichen wesen ?
komm, Föbe, tag der nacht, Diane, borge-liecht,
warsägrinn, lieder-freund; komm, Lune, säume nicht.
; FLEMING 632.
LIEDERFREUNDIN, f.:
gegrüszest seist du, du himmelsschwinge,
des frühlings bote, du liederfreundinn, .
sei mir gegrüszet, geliebte lerche. HERDER z. ill. 3,17
LIEDERGABE, f.:
wann ich dich nicht zu küssen habe,
dann will ich singen von dem kusz.
o wie ich diese liedergabe
dann segne, die mich trösten musz,
RÜcKERT ges. ged. 1,251.
„IJEDERGEWALTIG, adj.
retter zu sein des schwert- und liedergewaltigen mannes.
N PYRKER 9, 413-
LIEDERGÖTTIN, f.:.
Philomele, die liedergöttinn. HERDER z. litt, 3,18.
LIEDERHORT,, m. sammlung von liedern unter dem bilde
eines hortes. als titel eines buches: liederhort für das deutsche
‚olk. vgl. liederschatz,
LIEDERJAHN, m. schelte für eınen liederlichen menschen, aus
jederlicher Jahn; der bildung nach vergleicht sich, von der
kürzung abgesehen, dummerjan dummkopf aus dummer Johann,
vgl. theil 2,1519; es ist wesentlich im östlichen Mitteldeutschland
verbreitet, düringisch und obersächsisch liedrian, auch schlesisch :
Jas mag eine saubere braut sein, die den liederjahn nimmt.
Yorter Lammfell 3, 138,
LIEDERKEHLE, f.?
alle liederkehlen,
alle liederseelen
sind in meinem mund. RöckErt 693.
LIEDERKLANG, m. >;
(gedächtnisbilder) malen mir des kahnes schwanken
den gefurchten pfad entlang,
als die morgenlüfte tranken
zauberischen liederklang. PLATEN 5,
LIEDERKRAFT, f.:
und es kommt mit Nordens grösze,
mit der deutschen heldensage,
und mit alten kühnen thaten
alte liederkraft herauf. Körner 1.177