Full text: L. M. (6. Band)

991 LIEDERLICH — LIEDERLICHKEIT 
studere, vergl. s. v.) käme; diese ansicht von der abstammung 
bringt schon STIELER 1162, obwol zweifelnd, vor, und sie ver- 
schafft sich im 18. jahrh. geltung: lüderlich, von luder. GorTT- 
scHED kern der d. sprachkunst (1753) 54; während Kant, de 
auch die zw seiner zeit noch nicht vergessene bedeutung 2 (oben 
sp. 987) im auge hat, liederlich und lüderlich unterscheiden will 
man schreibt liederlich für lüderlich, da doch das erste einen 
Jeichtfertigen muthwilligen, sonst nicht unbrauchbaren und 
zutmüthigen , das zweite aber einen verworfenen, jeden an- 
dern anekelnden menschen (vom wort luder) bedeutet. 10,284, 
die schreibung lüderlich hat bis heute ihre anhänger. es heiszl 
ein liederlicher kerl, ein liederlicher bursch, eine liederliche 
dirne, liederliches leben, liederliche reden u. s. w.; ein lieder- 
licher teufel. Jucundiss. 63; ein schöner vortheil, wann man.. 
da man denen professoribus fleiszig zuhören soll, denen 
huren-lieder und von liederlichen weibesvolk schnöden reden 
und narrentheidigungen seine ohren öffnet. unwürd. doct. 75: 
dergleichen liederlichem leben müszig zu gehen. 75; lieder- 
liche, schmutzige scherze. GARvE übers. von Cic. de off. 1,29 
dort sitzt er in einem verdächtigen hause, unter der gesell- 
schaft einiger spieler, die seine freunde sind, und einiger 
lüderlichen weibspersonen. RABENER Sal. 4,378; ich begnüge 
mich, ihnen meinen abscheu gegen solch lüderliches zeug 
zu bezeigen, und zu versichern, dasz dieses noch das aller- 
züchtigste ist, was ich aus den ganzen drei bogen habe aus- 
suchen können. LeEssıne 3, 292; wann er das lüderlichste 
weibsbild so zärtlich geliebt hätte, als er in der that seine 
frau geliebt hat. 294; den äuszersten unglauben ... welcher 
zu dem lüderlichsten leben berechtige. 9,413; der henker hole 
alle liederlichen dirnen! rief der alte mit verdrusz. GÖöTHE 
18, 179; du lebtest mit einem liederlichen jungen edelmann, 
führtest ihm schauspielerinnen zu, hälfest ihm sein geld 
durchbringen. 20, 134; einen liederlichen, dem kartenspiel 
ergebenen bauernsohn. 33,172; so sieht man in der allge 
de foi unsere jungen liederlichen einer courtisane auf den 
fersen folgen. 36,3; übertragen, von pflanzen: dagegen gibt 
es charakterlose geschlechter, denen man vielleicht kaum 
species zuschreiben darf, da sie sich in gränzenlose varietäten 
verlieren... diese geschlechter hab ich manchmal die lieder- 
lichen zu nennen mich erkühnt und die rose mit diesem epithet 
zu belegen gewagt. 50, 77; ferner liederlich sein, werden, leben: 
vielleicht mag Sophokles noch in seinem alter ein wenig lieder- 
lich gewesen sein. LESSING 6,359; sie (die männer) waren 
liederlich und versteckten es nicht. GöTrHE 19,275; alles dies 
machte der professor recht lüderlich mit. FrREvyraG handschr 
{. 123; 
wären unfreundlich, grob und liederlich. GörTHE 13,71; 
hört, mädel jung, wenn ich nur wüszte, 
dasz ihr nicht fiielet in die lüste, 
und würdet wieder lüderlich, 
(denn das wär mir sehr widerlich) 
jo nähm ich euch als amme gern. 
TizcK kaiser Octavian Ss. 146; 
in verbindungen wie liederliches volk, liederliches gesinde! 
werden aber unstet umherschweifende , arbeitsscheue verstanden : 
freilich musz man, dieses zu glauben, die Juden näher ken- 
nen, als aus dem lüderlichen gesindel, welches auf den jahr- 
märkten herumschweift. LESSING 4, 220. 
7) Liederlich als ersonnener eigenname in verbindung mit 
andern namen oder einem titel; an die bedeutung 6 anknüpfend: 
hei courage, der herr die jungfer, der knecht die magd, sic 
itur ad astra, sagt monsieur Liederlich. ped. schulfuchs 67; 
der verschämte herr pastor Lange giebt das erste beiwort 
durch einen “artigen bruder Lüderlich’; oder vielmehr nach 
seiner rechtschreibung ‘Liederlich’. LEssıNG 4,12; sie werden 
doch meine base keinem bruder Liederlich zur frau geben 
wollen, der bis an die ohren in schulden steckt? SCcHILLER 
neffe als onkel 1,10; 
nicht also, frau sünderinn! 
frau Liederlich, frau Lecker! BÜRGER 48’; 
du sprichst ja wie Hans Liederlich, 
der begehrt jede liebe blum für sich. GÖöÖTHE 12,134. 
LIEDERLICHKEIT, f. 1) sorglosigkeit, in bezug auf die zu- 
kunft, leichtsinn: das vierzehnte laster, wöliches sich ouch 
stellet, als ob es ein tugend wer, dasselb ist liederlichkeit, 
unsorgsamkeit. KEISERSBERG Seelenpar., vorrede 3°; sorglosigkeit 
in bezug auf besitz, freigebigkeit: liberalitas miltikait t lieder- 
lichait Dier. 326°. © 
2) sorglosigkeit in bezug auf seime pflichten, nachlässigkeit: die 
liederligkeit, sorglose, indiligentia , fulilitas, incuria, 1qnavia, 
LIEDERMACHER — LIEDERTAFEL 992 
seqnities, negligentia, vanitas MAALER 273°; da ich denn viel 
‚ernommen, dasz es durch fahrlässigkeit, verachtung und 
jederlichkeit versaumt sei worden. Görtz v. BERL. 44; im seie 
hei seinen zeiten kain geschickterer adenlicher herr, dann 
diser Johanns Wörnher, nie zukomen, und in dem er kain 
mangel oder etwas befunden, darin er furnemlich, dann 
allain umb sein saumnus und liederligkait in aignen sachen, 
zu strafen gewesen. Zimm. chron. 1,405,33; er (der wirt) war 
sorglos, ohne liederlichkeit, und sein behagen breitete sich 
jiber alle gäste aus, die sich bald häufig bei ihm versam- 
melten. GÖTHE 15, 286. 
3) ausschweifende art, unordentliches leben: als der alte fort- 
‘uhr, auf ihre leichtfertigkeit und liederlichkeit zu schmählen. 
GörHE 18,177; aus der schlechten gesellschaft, antwortete er 
mir, läszt sich vortheil ziehen, wie aus der liederlichkeit. 36,81. 
LIEDERMACHER, m. der da lieder macht, lyrischer dichter: 
der Guardian (name einer engl. zeitschrift) wollte gleichfalls 
‚ersuchen , die liedermacher seiner zeit ihrer pflichten zu 
ırinnern. HAGEDorRN 3,xı; der geliebte freund, welchen der 
;alender ...im stockhause zurück gelassen hatte, war- kein 
ındrer als Sinan der liedermacher. WıELAnND 8,312; Sinan, 
ler leiermann und liedermacher. 429; wissen diese lieder- 
nacher denn keinen andern gegenstand? TIıEcK 5, 38. 
LIEDERN, verb. lieder dichten: ich zeichne mehr als ich 
onst was thue, liedere auch viel. Görne an Boie 23. dec. 
714 (Weinholds Boie s. 188). vgl. liedeln. 
LIEDERN, adj. und verb. s. lidern sp. 895. 
LIEDERQUELL, m. reichlhum an liedern, einem quell ver- 
‚lichen: wie der brunnen zu ihren füszen fortquoll,...so 
schien auch (bei den mädchen, die volkslieder sangen) der lieder- 
zuell unerschöpflich. AuerRBacH dorfgesch. 1 (1845) 515. 
LIEDERRANKE, f. lieder, einer ranke verglichen - 
liebste! meine liederranken, 
nimm sie alle, blatt für blatt. RÜcKERT ges. yed, 1,470. 
LIEDERREICH, adj.: 
sie (die vögel) öffnen gleich, nach nacht und nebel, .. 
die tön- und liederreichen schnäbel. Brockess 1,22; 
der liederreichen vögel chor. 7, 10; 
ihr liederreiches vaterland (die Gascogne). HAGEDORN 2,48; 
entreisze dich, o Cronegk, edler freund, 
der Pleisze liederreichem strande! Uz 1,188; 
die liederreichen wälder schweigen. CRonzEcK 2,207; 
einen hain, wo vögel ohne zahl 
die liederreichen kehlen stimmen, WıgEeLAnD 10,226; 
ein liederreicher geist. GÖöcKINGK 1,199; 
und als sie einst in tiefen harmonieen, 
ergriffen von dem liederreichen drang, 
der ewgen liebe ihre hymnen sang. Körner 1,227. 
LIEDERREICHTHUM, m.: dem liederreichthum seiner kehle. 
tidaskalia vom 5. mai 1872, 
LIEDERSAMMLUNG, f.: neue liedersammlung von Carl 
Friedr. Zelter. GÖTHE 45, 311. 
LIEDERSÄNGER, m. rhythmorum modulator, StTIELER 2029. 
LIEDERSCHATZ, m. sammlung von liedern unter dem bilde 
»ines schatzes; als buchtitel: liederschatz für das deutsche volk, 
»gl. Niederhort. 
LIEDERSCHREIBER , m. lyricus poeta. STIELER 1922: in 
allen zeiten und in allen ländern, wo die poesie im schwange 
gegangen, ist auch die zunft der liederschreiber ungemein 
zahlreich gewesen. HAGEDORN 3, XI. 
LIEDERSEELE, f. inhalt eines liedes unter dem bilde einer 
‚eele: ein gedicht, sei es die kleinste liederseele oder die 
‚dee zu einem groszen drama, kann von der empfängnis an 
zerechnet jahre lang im geiste des dichters, als im mutter- 
'eibe, herum getragen werden. G. Schwas Schillers leben 300; 
1och allerlei ungehorne Jiederseelen und gröszere gedichts- 
ıntwürfe muszten indessen diesen studien weichen, 428; 
und liederseelen schweben zu tausenden 
um ihn. STOLBERG 1,331; 
alle hederkehlen, 
alle liederseelen 
sind in meinem mund. RÜöckKert 693. 
LIEDERSTIMME, f.: 
kommt, und lispelt mut ins herz mir, zarte 
liederstimmen, die ihr lange schliefet. PLATEN 8. 
LIEDERSÜSZ, adj. 
diesem liedersüszen mund. KörnEer 1,176. 
LIEDERTAFEL, f. name von mänmnergesangvereinen; von 
Panr Friedrich ZeEitER zuerst gebraucht, der im jahre 1808, mit
	        
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