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LOS
LOS, a. sors.
1) goth. hlauts, masc., xANoos; ahd. mhd. hlöz, 1öz, mase.
und neutr., sors; alts. hlöt. das ags. und fries. zeigen in der
masculinform hlot, ags. auch hlyt, kurzen vocal; im altnord,
bedeutet das zur gothischen und hochdeutschen form stimmende
neutr. (nach Vıcrusson 269° fem.) hlaut das blut des opferthiers,
aus dem die zukunft vorhergesayt wurde. zu dem substantiv ge-
hört das (im golhischen nicht aufgewiesene) ablautende verbum
ahd. hliozan, alts. hliotan, ags. hleötan, altnord. hliöta erlosen,
durchs los erhalten, erlangen; mhd. aber heiszt liezen auch wahr-
sagen (LEXER 1,1914. ScHm. 1,1514 Fromm.), eine gewis alte
bedeutung (aus der sich auch die des murmelns ablöst). an diese
wird sich das subst. 1ö% anschlieszen, mit dem allgemeinen sinne
der schicksalsbefragung, ohne bezug auf die form derselben, die
eine verschiedene ist. sichere vergleiche aus den urverwandlen
sprachen entgehen, die historisch richtige neuhochd. schreibung
des wortes losz, im 16. jahrh. noch häufig, weicht zu gunsten
der schreibungen los, loos, loosz, von denen die erstere, auch
von LuTkHER gebrauchte, die jetzt wieder angenommene ist,
2) häufiye form war das werfen des loses:
alts. Er sia an irö hwarahbe hlötös wurpun,
hwilik irö skoldi hebbian thia helagun peda.
Heliand 5549;
alıd. thö rietun thie ginöza, sie wurfin irö löza, .
ihaz sie mit ıhiu gizämi, welih sa (die tunica) imo nämi,.
OrrRıD 4,28, 9;
nhd, sie wurfen dä üf sin gewant
ein löz under in zehant. Barlaam 73,22;
ir blütekirl (opferpriester) der warf zü hant
sin löz näch ir alden site, livländ. chronik 4681;
nhd. jr aber beschreibt das land der siben teil, und bringet
sie mir hie her, so wil ich euch das los werfen fur dem
herrn unserm gott. Jos. 18, 6; und sie worfen los uber jre
ampt zu gleich, dem kleinesten wie dem gröszesten, dem
lerer wie dem schüeler. 1 chron. 26,8; das sie... das los umb
mein volk geworfen haben. Joel 3,3; da sie jn aber gecreu-
ziget hatten, teileten sie seine kleider, und worfen das los
darumb, auf das erfüllet würde, das gesagt ist durch den
propheten, sie haben meine kleider unter sich geteilet, und
über mein gewand haben sie das los geworfen. Maltth. 27, 35;
das losz werfen, wölche am rüder söllend ziehen, wenn und
wo, sortir£ remos MAALER 275°;
und ie kriegsknecht teilten sein gwand,
warfen das los darob zu hand.
H. Sacas 1,73 (1,312,14 Keller);
uber mein gewand das losz zu werfen.
WECKHERLIN 913;
man warf das loos (beim blindekuhspiel) , das l1oos traf Görgen.
LicHTWER fubeln 4,14;
daher bildlich: ich habe nie verschmäht, mit meinen guten
kriegsgesellen um kleinen gewinnst das blutige loos zu werfen;
und sollt ich knickern, wenns um den ganzen freien werth
des lebens geht? Görhne 8,216; um mein ganzes geschick
wird Ja doch dieszmal das loos geworfen. 20, 189.
3) darum fällt das loos:
die frowen wurfen ir löz,
wä der purpur unt die siden
von rehte scholten beliben ..,
da geviel daz löz an daz kint.
Wernsgers Maria, fundgr. 2,176,9;
und sie worfen das los uber sie, und das los fiel auf Mat-
thian, und er ward zugeordenet zu den eilf aposteln. ap.
ygesch. 1,26; los wird geworfen in den schnos, aber es fellet
wie der herr wil. spr. Sal. 16,33;
wiewol das losz auf in gefalln. ScHMELZL Saul 23”;
wir maichen ein los, up wen it valle,
dat eme de anderen volgen alle...
des maichten si ein los van hulze,
dat veil up hern Gotschalc Overstulze.
d. städtechron. 12, 74, 1845:
der rock bleibt unzerstücket;
er wird dem losz anheimgestellt,
desz soll er sein, wem jenes fällt.
Sn PB. GERHARD 36,225 Gödeke;
und bildlich: ou Egmont, welch preiswürdig loos fällt dir!
GÖTHE 8, 284;
ouwe6! tödez löz, du bist gevallen!
minnes. 3,343” Hagen;
dem edeln greise, dem das loosz des todes fiel,
HölLtY 44 Halm;
ach, fiele
nie das eiserne trennungsloos! 94;
o armes volk, dem je das loos
solch eines herschers fiel! GorttEeER 1,64: .
LOS
ein erhabenes loos, ein göttliches, ist ihm gefallen.
SCHILLER das ylück;
tuch es trifft: die jungen bursche (bei der aushebung zu den
‚oldaten) müssen spielen; den guten Jacob Humbel trifft das
00s, soldat zu werden. HEsEL 2,75; bildlich:
ein vielerfahrner wäre zu bedauern,
wär ihm das loos gefallen, das dich trifft. GöÖTHE 9,335.
4) auch gemessen, gezogen (vgl. dazu halm 6, theil 4?, 239),
yelegt, gegeben wird das los: er gibt das los uber sie, und
eine hand teilet das mas aus unter sie. Jes. 34, 17; das losz
yuszhin ausz dem hafen ziehen, sortem irahere MAALER 275°;
des nam aber Tristan kleine war,
wan gienc et baltlichen dar,
da man in daz löz maz. Trist. 153,27;
wir wöllen legen hie das losz. H. SAcus 3, 1,158’;
nun heb das losz. ebenda;
vom Eumenidenchor geschrecket,
zieht sich der mord, auch nie entdecket,
das loos des todes aus dem lied.
ScHILLER die künstler v. 231.
5) das loos bestimmt die zutheilung von amt und würde, es
ıntscheidet bei theilungen unter gleichberechtigten über besitz und
#genthum , als unanfechtbarer ausdruck eines göltlichen willens,
vergl. HALTAUS 1277fgg.” doch man sol das land durchs los
eilen, nach dem namen der stemme jrer veter sollen sie erbe
aemen, denn nach dem los soltu jr erbe austeilen, zwisschen
len vielen und den wenigen. 4 Mos. 26,55; das man das land
zum erbteil geben solt durchs los den kindern Israel. 36,2;
3r ordnet sie aber (die kinder Aaron) durchs los. 1 chron.
%, 5; das los ist mir gefallen auf liebliche, mir ist ein schön
ırbteil worden. ps. 16, 6; erwellung der richteren durch losz,
vortitio judicum MAALER 275°; durchs los einem etwas zu
‚heilen, sorle adsignare alicui aliquid Frıscu 1, 623°; dabei solte
ch zusehen, dasz es recht zuginge, und die ämter, ohn an-
sehung der personen, durch das losz ausgetheilet würden.
Simpl. 1,332 Kurz; bei den komischen wettstreiten konnte
jeder atheniensische hürger durch das loos zum richter er-
nennt werden; bei den tragischen wurden nur solche bürger
ıu dem loose zugelassen, die mit zu felde gewesen waren,
und ansehnliche kriegsbedienungen bekleidet hatten. LESSING
3,327; ernennt man die, über die man das loos wirft ? 331;
ich kenne zwei, drei orte, wo wir gut
und sicher wohnen; dort vertheilen wir
die beute, wie es loos und glück bestimmt. GÖTHE 10,263;
;prichwörtlich: das los stillet den hadder, und scheidet zwis-
‚chen den mechtigen. spr. Sal. 18, 18.
6) das über den menschen waltende verhängnis wird als ein
‘ose austheilendes geducht :
jetzt aber
ruft das geschick mich fort, das auf dem schlachtfeld
noch richtend sitzt und seine loose schüttelt.
SCHILLER Jungfrau 3,6;
o schicksal, wechsle leicht nur mit den loosen:
den dichter führe wieder zu der schönen!
die lieder mögen mit dem bilde kosen. UHLAND ged. 138;
henso die zeit, die dem menschen das beschiedene zutheilt +
ihm (dem neugebornen kinde) ruhen noch im zeitenschoosze
die schwarzen und die’ heitern loose, glocke v. 53;
krieg oder frieden! noch liegen die loose
dunkel verhüllt in der zukunft schoosze!
braut von Messina v. 323;
und jenes über dem menschen waltende verhänqnis heiszt auch
elbst ein los:
vollbracht hab ich den lauf, den mir das loos beschieden.
Dido 118
'vixi et quem dederat cursum Fortuna peregi. Verg. aen. 4, 653).
7) los, das was gott oder das schicksal dem menschen zuweist,
las geschick; in manigfachen wendungen. mil possessiven, ad-
jectiven und genitiven dessen, der das los empfängt: meine tage,
nach dem gemeinen menschlichen losz, sind nahe verschlissen.
I. Grimm, vorr. zu bd. 1, Lxvilr; ich bin meinen kriegsgesellen
‚erpflichtet , so lange das tuch an der standarte weht, mit
‚hnen zu reiten und ihr schicksal zu theilen; das ist des
zoldaten loos. FreytaG ahnen 5,137;
du bist mein gott, und willst mein glück.
von ewigkeit hast du mein loos entschieden.
GELLERT 2, 223;
der menschheit 1o0s, StoLBERG 1,243;
glück ist der klugheit loos,
der weisheit 100s ist freude. GöKInNGK 1,256;
wars mein loos, an jenem tag zu enden.
SCHILLER zersliör. von Troja 76;
„7,
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