Full text: L. M. (6. Band)

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LUFT 
GötTHE 19,243; aber gröbere naturen können von der luft. nicht 
leben: doch werde ichs keinem menschen sagen, wie mich 
nach meines vatern küche verlangte. ich dachte die Franzosen 
wären hungerleider; aber nun schien es, als wär ich zu 
leuten kommen, die gar von der luft lebten. Car. WEISE erzn. 
40 Braune; weil ich stille betrachtungen liebe (spricht die eule), 
kann ich deswegen von der luft leben? ich weis zwar wohl, 
dasz ihr menschen es von euren gelehrten verlangt. LESSING 
1, 138; 
die fürsten wölln den soldt nit geben; 
so kan man doch des Ilufts nit leben. 
B. WaLDis Esop 2,79, 20; 
vergl. auch belege unter leben 3,d, sp. 402; in einer spöllischen 
frage? 
ihr brüder (spricht ein landsknecht), der krieg hat ein loch, 
dem ich bei hundert meil nachzog. 
von welchem luft wöll wir jtzt jebn? 
die bauern wöllen gar nichts mehr gebn. 
J.AYRER fastn. sp. 122° (2947,10 Keller); 
ein prasser prophezeil sich am ende, er werde luft schlucken 
müssen: 
wem der win nit schmöckt, dem bringend wasser! 
ich kumm noch wol zliden und luft zschlücken. 
SALAT drama vom verlornen sohn v. 534 Bächtold. 
6) luft übertragen auf geistige atmosphäre: keine luft ist so 
dick, kein volk so dumm, kein ort so unberühmt, dasz nicht 
zuweilen ein groszer mann daraus hervor gehen sollte, sagt 
Juvenal. WIELAND 19,14; so imprimiren sich die schüler jene 
kurzen formeln .. indessen das übrige publicum diese selige 
überzeugung gleichsam aus der luft aufschnappt. GÖTHE 59,20; 
er bot ihr in dieser ritterlichen luft den arm. FrEvYTAG hand- 
schrift 2, 321; ich würde doch nicht mehr zu ihm passen, weil 
ich schon zu viel andere luft in mich aufgenommen. FELDER 
reich und arm 251; vgl. auch klosterluft iheil 5, 1240, hofluft 
theil 4?, 1692; es heiszt (mit bezug auf oben 3,f) etwas liegt, 
ist in der luft, eine geistige oder gemütliche strömung oder auch 
ein dergleichen druck: das beste, was man lernt, musz in 
der luft der zeit liegen. AUERBACH neues leben (1862) 3, 21; 
zusehens wird auch ihr gesichtchen länger; 
und von erstickter seufzer drang 
das knappe mieder immer enger. 
es war ich weisz nicht was, das einem seltsam bang 
und schwer macht, in der luft. WIELAND 21, 182. 
5) die luft, als unsichtbare, ungreifbare, dünn und leer genunnt. 
der geist zufladdert wie eine dünne luft. weish. Sal. 2,3; 
dein name sei vergessen, in ewge nacht getlaucht, 
zei wie ein letztes röcheln in leere luft verhaucht! 
UHLAND ged. 392; 
und durch die leeren lüfte schwang er den speer mit macht, 
ScHRFFEL Ekkeh, 366 (Waltharilied) ; 
wird als bild für haltloses, nichtiges und eitles in einer reihe von 
verbindungen verwendet. 
a) etwas in die luft thun, olıme halt, absicht oder zweck (vgl. 
ins blaue fheil 2,82): ich laufe aber also, nicht als aufs un- 
gewisse. ich fechte also, nicht als der in die luft streichet 
(0VTWE NUKTELW WE OU AEOM Öeowy, golh. ni SvE luftu 
bliggvands). 1 Cor, 9,26; diesz war zuverlässig in die luft 
gesprochen, ohne hinlängliche überlegung. HeEınse Ardingh. 
2,160; dasz sie zuletzt ungeduldig und wohlwollend dringend 
bat, mich nur nicht immer mit worten in die luft zu er- 
gehen, sondern endlich einmal das, was mir so gegenwärtig 
wäre, auf das’ papier festzubringen. GÖTHE 26, 200; und man 
sieht nicht, dasz man in die luft redet, und ausgezischt zu 
werden verdient. 33, 109; 
wer dieses nu nicht will verstehn, 
läszts in die huft und winde gehn... 
der ist fürwahr durchaus verblendt. P., GERHARD 9,47; 
Joch red ich in die lüfte; denn das wort bemüht 
ich nur umsonst gestalten schöpferisch aufzubaun. 
GÖöTHE 41, 187; 
ein schusz, schlag, streich geht in die luft, &rifft nicht, geht fehl: 
nicht doch, versetzt der blaue kavalier, 
der streich gieng in die luft, herr prahler! 
WIELAND 5,108 (n. Amadis 15,38). 
b) schlösser in die luft bauen: V. kurz und gut! ich baue. 
M. doch wohl schlösser in die luft. wie schon öfters. GÖTHE 
11.274 ° 
dasz die schöne, schamhaft zu gestehen, 
und in hoffnung, wieder dich zu sehen, 
manche schlösser in die luft erbauet. 1,219; 
nur festem grund sollst du verirauen, 
nicht schlösser in den lüften bauen. 
EICHENDORLFE Lucanor 108 -+ 
LUFT 1246 
‚ergl. niederdeutsch : 
wat ik gereedt, dat sind casteelen in der lucht, 
min anslag und min wunsch verswinden ane frucht. 
LAUREMBERG scherzged, 1,437. 
c) etwas aus der luft nehmen, greifen, was ohne grund oder 
vahrheit hingestellt wird: eine lügen aus der luft genommen. 
SCHUPPIUS 632; eine lüge aus der luft erschnappen, fabulam 
‘x quacunque Te convenire, e nubibus arripere STIELER 1183; 
;eine vorschläge, sein rath, nichts ist aus der luft gegriffen, 
ınd doch so oft nicht ausführbar. GöTnE 26, 242; alle seine 
zeschöpfe sind aus der luft gegriffen. 33,33; dieser complex 
ıber war nicht aus der Juft gegriffen, sondern durchaus 
2eiter lebendig. 48,73; die geschichtchen, die er erzählt, 
ind rein aus der luft gegriffen; seine behauptungen, seine 
ınnahmen greift er nur aus der luft; es war nicht zu ver- 
xennen, dasz die zahlen, welche Fink hingeworfen hatte, 
ıicht ganz aus der luft gegriffen waren. Freytag soll und 
1aben 2, 179. 
d) etwas schwebt, hängt in der luft, wenn es ganz und gar 
ler realität entbehrt? diese rechnung mit allen ihren zahlen 
schwebt in der luft, hat keine solide basis; das bild eines 
lespoten, wenn es auch nur in der luft schwebt, ist edeln 
nenschen schon fürchterlich. GörHE 28,28; und mit ausdrück- 
ichem witzigem bezug auf die bedeutung 3: denn er hatte ein 
»hilosophisch vermögen, das ist, wenn er in die höhe sprang, 
30 sSchwebete alle sein gut, so er auszer seinen vaterlande 
ei sich hatte, in der luft. polit. stockf. 16; einer, etwas steht 
in der luft, entbehrt des halts: schon die alleräuszerlichste 
artigkeit und höflichkeit gegen die betrauten männer erfor- 
jerte es, wenigstens an diesem tage sich vollzählig einzu- 
inden, damit sie sehen, dasz sie nicht in der luft stehen. 
‘3. KELLER leute von Seldwyla 1,194. 
e) nach der luft greifen, fassen, haschen, nach nichtigem. 
mareifbarem ? 
der arme Tantalus schlang die begierge hand 
um einen leib von weichem alabaster, 
verhoffte süszen widerstand, ; 
und griff — nach luft mit ungefüllter hand. 
WIELAND 21,271; 
komme dann einer und klage! der haschte mit gleichem gewinne 
ı1ach der juft, er tödtet die zeit. GÖTHE 40, 132 
(Reineke fuchs 3877 ohne ähnliches bild) ; 
vergl. dazu: 
allein der leichte schatten (der toten gattin) wich 
wie luft mir aus der hand, und ich 
fiel nieder auf die nase. BLUMAUER 2,36; 
;twas zerflieszt in luft, oder in der luft, wird ungreifbar wie 
liese? so ist die tugend ein gespenst, das in der luft zer- 
lieszet, wenn man es am festesten umarmt zu haben glaubt. 
‚ESSING 2, 11. 
f) etwas in die luft schlagen, in den wind schlagen, auf- 
jeben: und wil also meine wolthat frei in die luft schlahen, 
ınd williglich verlieren. LUTHER 6, 50°. 
g) luft, ein nichts: ich geb nit luft umb jn, ich wolt jm 
ıit schnellen (ne ligula quidem dignus). S. FrRanxg sprichw. 2, 53°; 
ver wollt umbs lufts willen (für nichts) ein melancholischer 
nühsamer stubenbruder sein. LEHMANN 178; die phantasie 
der neuvermählten mit luft zu füllen (mit nichtigen dingen). 
{LINGER 5, 380. 
8) für fast durchsichtige kleiderstoffe braucht WıreLAnD gern 
1as bild der gewebten, seidenen luft: 
beim zweiten (blick) pocht schon was im reizenden oval, 
das, sititsam um und um verdecket, 
sich in gewebte luft vor seinem blick verstecket. 10,233: 
wozu die seidne Inft.: die deinen busen deckt? 
17,221 (Idris 4,19); 
es sei nicht leicht die augen wegzudrehen, 
wenn, mit gewebter luft leicht Nlatternd angethan, 
ein schönes mädchen euch erscheinet, 228 (4,32). 
9) luft, und nach dem natürlichen geschlechte hier nur masc., 
nundartlich für einen windigen, leichtsinnigen menschen? schwäb, 
uft, lüftling, leichtsinniger ScHmin 364; häst (heiszt) dos aufs 
'eeld ganga und dos häu aufgloden, du luft? Simpl. 2, 296 
mundart des Spessaris); düringisch und obersächsisch er ist 
ain luft, auch ein musje luft, ein bruder luft, ein luftikus; 
lem. lufti, luftibus, luftibuz leichtsinniger mensch. leichte haut. 
yindbeutel. SEILER 195° 
10) luft, in der älteren wissenschaftlichen sprache von den luft- 
"örmigen, von der gewöhnlichen luft abstehenden flüssigkeiten, die 
nan heutzulage gas, gasarten nennt (vgl. gas theil 4',1428 ffg.): 
ie hrennbare Iuft... die aus eisenfeile und vitriolsäure mit
	        
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