1355 LÜTZEL
nhd. (du sollst) deinen ebenchristen ze nutz bescheidenleich
milt sein, ze lützel noch ze vil geben. ADRIAN millheil, 459
(15. jahrh.) ; das der mensch underschid gewint, das in allen
seinen werken nit zü vil sei oder zü lützel. ausgang der
kinder Israel (1510) 33°; was gat mich das an, ob meinem
herrn lützel oder vil weines wachset. KEISERSBERG Seelenpar.
89*; es ist ein gemein sprichwort: zu lützel und zu vil, ver-
derbet alle spil. pred. 30° (auch S, FRANK sprichw. 1, 5°); als
wir ein gemein sprichwort haben: zu lützel und zu vil ver-
hönet alle spil. Rırr chirurgie 15°; nach dem du vil oder
lützel machest. GERSDORF feldb. d. wundarzn. 41; fahe vil an.
bächt (vollführe) lützel. AGR. spr. 238°;
zu lützel, zu vil ist ungesund,
hab ich oft hören sagen. UHLAND volksl. 97;
man trink sin (des weines) lützel oder vil.
ManuzL 367, 3155 Bächtold;
weder lützel noch vil. WECKHERLIN 599;
bedenkend was sein mag zu lützel und zu vil. 675,
3) da lützel später nicht mehr, wie ahd. und mhd, die be-
Teutung klein, gering, sondern nur noch die ‘klein an zahl, wenig
entfaltet, so schlieszt sich die fügung, wie bei andern unbestimm-
ten zahlbegriffen, gewöhnlich der neutralen eines collectivums näher
an, und die fälle, in denen adjective fügung noch sichtbar ist
oder angenommen werden kann, sind nicht mehr zahlreich: aller
gewalt über die gemain und aller gemainer nutz ist in gar
Jützler hant, sie haben sich verpunden und sind gewaltig
über die pawern und das lant. d. städtechr. 3, 132,12; Stee
auf und fleuch in Haran zu Laban meinem bruder und wone
bei im lützel tag (habitesque cum eo dies paucos). bibel v. 1483
17” (1 Mos, 27,44).
4) lützel mit folgendem subst. im theilungsgenitiv: ahd. dö irö
luzzel uuas, unde irö joh unmanige uuären. NOTKER ps. 104
(Hattemer 2, 318°); mhd. nhd. dö Abrahäm und Löt lützel vihes
höten, dö wären sie wol mit einander mit minne.:d. myst.
1,315, 3; und rissens (die schatzkammer) auf und giengen da-
rein, nit ir lützel, sonder gar vil. d. städiechr. 3,144, 7; die
ketzer waren all lodweber, wann gar lützel was lüt undeı
in von andern hantwerken. 4,97, 14; die waren burgermaister
mit lützel treuen und wenig eren. 5,39, 5; kam wider gen
Bairn in sein land mit lützel eren und mit spot. 44,5; die
(münzen) waren gar bös und hetten lützel silbers in in. 111, 16;
öpfel ward lützel, allerlei piern ward wienig, aber rurpierr
ward gnueg. 326, 16; zü dütsche ist lützel sollicher bücher
geschriben. 8, 230, 7; wie wir dasselb dem jüngling geben
wöllen mit lützel schadens. BoLz Terenz 96°; der ist ein
fremder, minders gwals (von minderer gewalt) dann du, we-
niger bekannt, der hie lützeler freund hat (minus amicorum
hic habens). 68°; also warend die eidgenossen so geherzt und
kün, wie lützel joch iro was. TscHupr 2, 423;
want lutzel volx mit muden ledin
hait selden. here, wail gestredin.
d. städtechron. 12, 189,5917.
5) mit folgendem subst. in gleichem casus: ein mensch ge-
porn von einem weib lebt lützel zeit. gesta Rom. 139 Keller;
der selben stempf lieszen sie vil feiren, darumb dasz sie
mir lützl papier wolten machen. d. städtechr. 1, 79,10; do
kom ain grozzer schne und lag ferr in daz jar und ward
lützel roggen. 4, 24,9; desselben mals waren lützel meus in
den äckern. 5, 182, 11 ; laider lützel leut gott vor augen hand.
184, 16; wir haben lützel nutz oder eren gewunnen, 195, 23;
da aber Esopus merket, das man ihn mit lützel worten ver-
spottet. STEINHÖWEL Aesopus leben (1569) 5°:
hab litzel liut lieb
so wirst nit betriebt, KELLER altd. ged. 241,19.
6) absolut: der herr, der vertilgt euch und zerstreut euch
under alle leut und ir beleibt lützel under den geburten zu
denen euch der herr ist füren (et remanebitis pauci in nalio-
nibus, ad quos vos ducturus est dominus). bibel von 1483 86°
(5 Mos. 4,27); und ist ze wissen, dasz die kötzer alle lod-
weber waren, und warn gar lützel under andern handwerken.
d. städtechr. 5,46, 21; woferr aber gemeldte vier haufen oder
wachen zu lützel oder schwach weren. FRONSsPERGER Kkriegsb.
1,48; zu dem letzsten da erschepfet er den peutel bisz
an boden, an dem belib lützel und das pöst. d. städtechron.
3,97, 7; dasz auf diese zeit laider lützel geschriben wirt.
166, 26; so wir aber komen seint an der Hussen sach und
gar lützel seint, die ein rechten ursprung wissent. 171, 17;
und veroran den leuten. was sie hetten, und kam in wenig
LÜTZEL — LÜTZELKEIT 1356
ınd gar lützel ausz. 5,183,2; © wie gat es so ungleich zu,
das die so lützel haben, allweg den reichern eLtwas herzu
thund. BoLz Terenz 184°; wie ihm (einem dinge) die anderen
zu lützel thon. Acr. spr. 88°;
Jützel zu mir wend gsellen sich,
an lüten bin ich gar nicht rich (spricht Pallas).
J. FUnkKELIN in Tittmanns schausp. aus
dem 16. jahrh. 1,187, 430;
ein lützel: er war ein litzel kleiner gröszer als der pfeiler
zu sanct Marx bei Langres. Garg. 146°; wie mhd:
nu gevuocte sich daz
daz Marke an einem tage saz
ein lützel näch der ezzenzit . . . Trist. 89,27.
7) adverbial: ouch worent die fürte an der Illen und anders-
wo mit füsysen verleit, aber es verfing lützel. d. städtechr.
3,688, 10; wie wol der herbest lützel zü nutze kom. 819,23;
diese rede achtet Gedeon gar lützel. b. d. liebe 274°;
gel ist ain varb ungenem
und allen mannen gar unzem
und siht die lützel tragen. fastn. sp. 779,26;
an groszer meng da spürt mans lützel.
H. Sacus fastn. sp. 1,76,204 Götze ;
heut ein bächlein wol beschwetzet
nahm die flucht ausz grünem wald,
an den steinlein sich verletzet,
hett mit jhnen starken spalt:
dann weils jhm nit wolten weichen
ausz so lützel feuchter strasz,
zornig thät es neben streichen,
SpEE trutznacht. (1654) 238.
8) für den mhd. oft vorkommenden übergang von lützel in
den begriff nichts und nicht, auch noch spätere beispiele ?
Herodes wirt dir lützel schenken
umb din miszthat. trag. Joh. Kij;
4o nam er zü der e des hertzogen tohter von Peyern. daz
Jet er uf ein hoffen, daz er reet und helfe von im solte
ıan. doch half es in lützel, wan die Swobe tribent inen
{on einer stat zü der andern. d. städiechr. 8, 39,2; und fach-
ten mit ein ander, daz dez pischoff volk ob lagen und slugen
Jer stat volk zu tod mer danne 900 und an dez pischoffs
tail lag luczel ymant der nyder. 1, 59,2;
die nacht die was so finster,
der mon gar lützel schein. UHLAND volksl. 192;
die nacht die was so finster,
der mon gab lützel schein. 196;
bist fast den jungen nönnlin gneigt,
hast sie gar zeitlich visitiert:
sin alte hür dich lützel irt.
SCHADE Sat. u. pasqu. 3,130, 18.
9) in Schlesien und angrenzenden landstrichen ist der lützel
verhüllende benennung des teufels (vgl. WEINHOLD 55°): Barlel,
ıe sich, ie wos hast du hie zu schoffen? Jockel. wu führt
lich der lützel hie har? A. Gryeaus gel. Dornrose (1. druck)
s. 13; der lützel führt ihn zu Flavio. Cur. WEıseE überfl, ged.
», 307; im Baselbiet aber heiszt der lüzel taugenichts, SEILER 197°,
10) mundartlich lebt lützel noch vorzüglich in den alemanni-
schen gegenden: lützel, gering, wenig STALDER 2, 188; in Appen-
sell lötzel, lützil, wenig, nicht viel, nicht zahlreich TOBLER 302”;
m Baselbiet lüzel, klein, schmächtig, elend, wenig, gering, un-
bedeutend (von menschen), ’s got lüzel har, kärglich, ärmlich
SEILER 197°; um Bregenz lützel, wenig, klein Fromm. 6, 120, 61;
im Elsasz lützel, auf dem Schwarzwalde nizel, wenig ScHMiD
367; bair. am gebirg westlich der Isar lützel noch in den for-
meln e lützl, ein wenig, z’ lüzl, zu wenig SCHM, 1, 1548 Fromm. ;
im Unterinnthal lizl, wenig, vom gewicht. SchöpF 406, die for-
men Niederdeutschlands lüttek, lütjek, lütj wu. dhnl. schlieszen
ch an alts. luttic (oben 1) an, wogegen engl. little, dän. schwed.
ille dem ags. lytel und altnord. Ytill noch nahe stehen.
LÜTZELE, f. wenigkeit: sie nemmen jhr viele und lützle
mısz seinen substanzen. PARACELS, 0pp. 1,791 B.
LÜTZELHÜBSCH, adj. und adv. nicht hübsch, unschön (nach
ützel 8): was kan ein spiegel dazu, das er ein lützelhüpschen
ützelhüpsch anzeigt? Garg. 5.
LÜTZELKEIT, f. wenigkeit, geringe zahl oder menge: paucitas
utzelheit Dıer. 417°; alle ding werden gekert in lützelkeit
‘et ad. paucitatem cuncta redigant). bibel v. 1483 64° (3 Mos. 26,22) ;
lie wirdigkeit des künigs ist in der menig des volks, und
las laster des fürsten ist in der litzelkeit des volks (in pau-
state plebis). 300° (spr. Sal. 14, 28); lützelkeit des schleimigen
lüts. H. BRAUNSCHWEIG Chirurg. (1539) 86.