1617
MÄR
weil der könig von Cypern heüt
mit seim volk vor der statt jetzt leit,
will, man sol jhm die königin geben,
oder er wöll uns nemen das leben
und gwinnen das ganz königreich.
der mär bin ich erschrocken gleich.
J. AYRER 397% (1997, 17 Keller);
noch jetzt mundartlich: was ist der mar (was geht besonderes
vor)? wissen, sagen, was der mer ist, wie sich die sachen
verhalten ScHM. 1,1634 Fromm.; tirol. was mer? was der mer
ist; wist ir, was der mär ist, ir must sterben. ScHöPF 421;
fränk. wäs ist der mehr? was gibts, wovon ist die rede? ebenda.
2) üble bedeutung von mähr als unwahre erzählung tritt im
15. bis 17. jahrh. auf: fabulari mer sprechen Dıer. 221°; mär
o * . . . .
sücht man in fabeln, die warheit aber in hystorien. FRANK
weltb., vorredez das wörtlein mär wird zwahr ietziger zeit
fast allein von falsch-ertichteten dingen genommen, hat aber
vor weniger zeit noch ein iede geschicht-erzählung oder ver-
«ündigung bedeitet. RomPLER vorrede 20;
vil leren wj man recht söl thon,
und ist jr leben weit davon,
ich halt jr sagen für ain mher,
und mich daran gar wenig ker. SCHWARZENBERG 133”;
dem truckses war die red vor mehr (hielt sie für geschwdt2z).
B. WaLDIS Esup 4,20, 37:
nn zuletzt sprach er:
es ist nichts dran! sein lose mär! 32,36;
ach dasz doch euer schade
euch noch zu herzen gieng! jedoch ihr habt kein herz,
gs ist euch eine mähr, es ist euch nur ein scherz,
FLEMING 14;
der saget neue mähr, der bapst sei luthrisch worden. 166,
3) im späteren 17. jahrh. sowie in drei vierleilen des 18. jahrh.
war mähr der schriftsprache nur noch aus dem vielgesungenen
weihnachtsliede LuTHERS (oben 1) bekannt, sonst auszer gebrauch;
STIELER führt es nicht auf, STEINBACH, Frisch und noch ADELUNG
als verallet. zuerst wieder gebraucht scheint es bei Hainbund-
dichtern, und nachher öfter, immer in der bedeutung oben 1 und
als singularform:
hört, ihr lieben deutschen frauen,
die ihr in der blüthe seid,
aine mähr aus aller zeit. STOLBERG 1,162 (von 1777);
eilends thät die mähr erschallen
iu der ganzen nachbarschaft. 255 (von 1779);
so bleibe doch noch einen augenblick,
um mir erst gute mähr zu sagen. GöTHE 12,74;
Murthe. was bringt er denn? verlange sehr —
Meph. ich wollt ich hätt eine frohere mähr! 151;
da hörten sie beide die traurige mähr:
dasz Frankreich verloren gegangen. H. Hulng 15,54;
auch diese zeit ist längst vorüber, die kunde von ihr klingt
fast wie die mähr von dem versunkenen eilande Atalantıs.
«MMERMANN Münchh. 1,15; ;
die sänger, die von hof zu hofe wandern,
sie sangen von der Hohenslaufen fall,
als wär es eine mähr aus alten tagen. UHLAND yed, 185,
ygl. weiteres unter märe.
MÄR, adj. lieb, wert, der ausläufer des mhd. mare, das
sich von der bedeutung “bekannt, berufen’ zu dieser gewendet hat;
über das 16. jahrh. hinaus für die schriftsprache wenig nach-
weisbar (zu vergleichen sind als verwandte lautmer oben sp. 391
und unmär): kriegszknecht, den er so mähr und angenen)
war, das sich etlich selbs erstachen, als sie sein leich und
todten leib ansahen vor leid. S. FRANK Germ. chron. (1538) 24°;
am längsten erhalten in der formel so ınär als.., so lieb, so gern,
so wol. wie; wie mhd.
swem daz leit ist, däst mir alse mare.
minnes. 2,158" Hagen;
ich haw eben so mär mit eim, als ich mit im sauf. FiscHART
Garg. 9;
wann aber nun kurzweil und freud
ist des gemüts arzney vor leid,
so hab ich so mär wollen schreiben
von lachen, alsz vil weinens treiben. 2;
dieweil wir warn am wünschen eben,
wünscht ich so mär den rechten hbutz,
weil mir eins wie das ander nutzt, dicht. 3.39.77 Kurz;
die blinden haben selten geld,
sie bleiben mir gleich so mer dausz (spricht der wirt).
H, SAacus 3, 3, 74";
ebenso mehr erstickt als erfroren, wenn es ja musz gehenkt
sein, ebenso mehr in die heilen gerannt, als hinein gegangen.
LEHMANN floril. 2, 85; noch heute bairisch- Österreichisch Scum.
‘, 1685 Fromm.
YVT
MARÄNE — MÄRCHEN 1618
MARÄNE, f. fischname: die grosze maräne, salmo maraena,
n kleine maräne, salmo maraenula NEMNICH 4, 1208,
MARASZ, MARASSIG, s. morast, morastig.
MÄRB, adj. mürbe, mhd. mar, gen. marwes: dasz der grund
im weinberg) weder zu fest noch zu märb werde. HOHBERG
', 361°; mürbe, quod mei Thuringi mär et meer pronunciant.
STIELER 1294, vgl. ermarben und mürbe.
MARBEL, MÄRBEL, m. eine der älteren umformungen des
at. marmor, vgl. marmor marbelstein , merbelstein , märbel-
;tein DıEr. 349°; allerhand steine, märbel, mineralien und
netallen (producte eines landes). HoHBERG 1, 74‘; marbel oder
närbel heiszen kleine spielkugeln für kinder, ursprünglich von
narmor, jetzt von stein- oder glasmasse hergestellt; märbel,
ıchnellkügelchen, ScamiD 374; in den glashütten ist marbel ein
tück holz zum abrunden des an der pfeife sitzenden glasballens,
ler name deutet auf ein ehemaliges marmorgeräth. vgl. marber,
narmel.
MARBELN, MÄRBELN, verb. 1) marmorartig behandeln:
(das holz) des quebracho colorado ist trefflich gemarbelt.
ZIiMMERMANN bei CAMPE,
2) märbeln, mit schnellkügelchen spielen. SCHMID 374.
MARBER, m. wie marbel, marmor: mit groszen steinen
‚on schwarzem marber. Amadis 152; jhre zän sind cristall,
‚hr hals ist alabaster, jhre brüstlein sind marber, jhre hände
‘ind helfenbein. Harnisch s. 142 (13. cap.) ;
den waichen marber spalten. WECKHERLIN 227;
der marber auszgehawen. 355.
MARBERARM, m. arm wie marmor:
o schöne marberarm! WECKHERLIN 767.
MARBERBAHN, f. von einer weiszen stirn;
und dise marberbahn ist gleichsam das gestad
des Nieszenden goldstroms (des hauars)., WECKHERLIN 668.
MARBERN, adj. von marmor: stalt sich neben ein mar-
‚erin pfeiler. Amadis 290; auf den hohen marberin seulen.
364; man nimmt sal ammoniacum, stöst es in einen märbern
nörsel klein. HoHBERG 1, 702°;
dise marbrine paläst. WECKHERLIN 560,
MARBERSTEIN, m.:
palläst von marberstein, WECKHERLIN 463,
MARCH, f. grenze und umgrenztes gebiet; s. mark.
MÄRCHEN, n. kleine mär, kleine erzählung: fahula mergin
dIEr. 221°.
1) das wort schlieszt sich zunächst, wie seine in der schrift-
;prache ältere schwesterform märlein (s.d.) an mär in der be-
Zeutung 2 an, als im gegensatz zur wahren geschichte stehend -
nährchen, welche allen völkern in ihrer kindheit die wahre
zeschichte ersetzen und sie zu kriegerischen thaten begeistern.
SCHLOSSER Weltg. 4,492; und zw wahrheit selbst:
auch für ein liebend herz ist die gemeine
natur zu eng, und tiefere bedeutung
liegt in dem mährchen meiner kinderjahre,
als in der wahrheit, die das leben lehrt.
ScHILLER Piccol, 3,4.
2) mährchen, in allgemeinster bedeutung, eine kunde, nach-
icht, die der genauen beglaubigung entbehrt, ein bloszes weiter
ıetragenes gerücht: sie (Maria Theresia) traf in Aschaffenburg
än und bestieg eine jacht, um sich nach Frankfurt zu be-
‚eben. Franz, von Heidelberg aus, denkt seiner gemahlin zu
‚egegnen, allein er kommt zu spät, sie ist schon abgefahren,
ıngekannt wirft er sich in einen kleinen nachen, eilt ihr nach,
srreicht ihr schiff, und das liebende paar erfreut sich dieser
iberraschenden zusammenkunft. das mährchen davon ver-
zreitet sich sogleich. GörHye 24, 308; zugleich mit dem sinne des
übertriebenen, nicht glaubhaften oder voraussichtlich falschen (mit
5fterem anrühren an nr. 4 unten): muszte ich mir nicht auch
‘Jupiter spricht), als meine altäre noch rauchten, jedes platte
ınd unanständige mährchen gefallen lassen, womit die poeten
hre klaffenden zuhörer auf meine unkosten belustigten?
WIELAND 25, 128; lebte Bertinus ruhig und still mit seiner
zeliebten, hätten sie durch die rechtlichkeit ihres charakters
;echtliche bekanntschaften erworben, .. glaubt ihr, dasz man
zute oder schlimme mährchen auf sie gemacht hätte? GörTHE
36, 95; übrigens was die bösen mährchen betrifft, ich erfinde
zeins. ich halte mich an die rolle des umträgers. sie sagen
‚or einiger zeit — — (hier erzählt Rameau von seinen wohl-
:hätern ein scandalöses mährchen, das zugleich lächerlich
nd infamirend ist). 97: