16 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre,
auf die Darstellung der Größenverhältnisse in der wirk-
lichen Welt denkt. Das aber ist ja Pestalozzis eigentlicher
Zielpunkt, und aus dieser direkt auf das Wirkliche gerich-
teten Anschauung‘ heraus bleibt in ihm der alte Propor-
tionengedanke lebendig. Er selbst faßt seine arithmetische
Methodik in den Worten zusammen: „Das Wesentlichste,
was ich in Rücksicht auf die Vereinfachung und Verdeut-
lichung des Zahlunterrichtes leiste, ist dieses: daß ich nicht
nur die innere Wahrheit aller Zahlenverhältnisse durch An-
schauungsmittel zum unauslöschlichen Bewußtsein bringe,
sondern auch das Bewußtsein der Wahrheit der Anschauung
mit der Wahrheit der Größenlehre vereinige und das Qua-
drat zum gemeinsamen Mittel der Anschauungskunst und
der Rechenkunst erhoben habe.“
Der anschaulichen Begründung der Rechenkunst zur
Seite steht bei Pestalozzi in der Gerfrud die Ableitung
der Schreibkunst aus dem Zeichenunterricht. Der Zeichen-
unterricht tritt so von Anfang an in den Mittelpunkt der
Erziehung, und zwar handelt es sich um das Zeichnen auf
geometrischer Grundlage; das Schreiben baut sich durchaus
auf der „vorher entwickelten Übung in ausgemessenen Linien“
auf. Zu dieser uns zunächst einigermaßen befremdenden An-
sicht über die Entwicklung der Schreibkunst gelangt Pesta-
lozzi „nicht bloß darum, weil sie eine eigentliche Art Linear-
zeichnung ist und keine willkürlichen Abweichungen von
der bestimmten Richtung ihrer Formen duldet, sondern
wesentlich auch darum, weil sie, wenn sie vor dem Zeichnen
beim Kinde zur Fertigkeit gebracht wird, demselben die
Hand zu diesem letzteren notwendig verderben muß, indem
sie dieselbe in einzelnen Formen verhärtet, ehe ihre all-
gemeine Biegsamkeit für alle Formen, die das Zeichnen
wesentlich voraussetzt, genugsam und gesichert gebildet ist.“
In der geometrischen Bestimmung der Buchstabenfor-
men berührt sich Pestalozzi eigentümlich mit Albrecht
Dürer, in dessen Unterweisung der Messung mit Zirkel
und Richtscheit® die Buchstabenkonstruktion eine große