30 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre.
dungslehre“, der andere die „ebene räumliche Größenlehre“
behandelt). Im übrigen fußt Graßmann ganz auf seinen Vor-
gängern. Im Pestalozzischen ‘Sinne wird der Ausgang von
der Teilung der geradlinigen Strecken und ihrer Aneinander-
legung genommen; ganz wie bei Schmid besteht die Methode
wesentlich in der Verbindung der zugrunde gelegten Elemen-
targebilde zu immer neuen Figuren; der Fortschritt ist allein
der, daß dem Schüler ein tätiger Anteil an der Entwicklung
gewährt wird, und so weht es wie ein erster belebender
Hauch durch den Wald der starren geometrischen Formen.
Ein wirklicher entschiedener Fortschritt kam von einer
yanz anderen Seite. Im Jahre 1820 veröffentlichte Karl
von Raumer ein AB C-Buch der Kristallkunde. Raumer
war selbst bei Pestalozzi in Ifferten gewesen und steuerte
nun ‚von seiner Fachwissenschaft, der Mineralogie, aus-
gehend einen Beitrag zu der Entwicklung der Pestalozzi-
schen Anschauungslehre bei, indem er „ein neues Feld für
die Raumlehre als Unterrichtsgegenstand eröffnete“. Dieses
neue Feld betraf aber nicht mehr den Anblick von Figuren-
tafeln, sondern von wirklichen Körpern. Er selbst hat den
Übelstand, den er damit beseitigen wollte, später mit den
folgenden Worten deutlich gekennzeichnet: „Daß dem eukli-
dischen demonstrativen Gang im Unterricht etwas voraus-
geschickt werden müsse, Anschauliches, Einleitendes, darüber
sind in unserer Zeit viele Mathematiker einig. Besonders
sah man die durch Pestalozzi und seine Schule aufgekom-
mene Formenlehre für eine Propädeutik der Geometrie
an; in ihr sollte die Anschauung, in der Geometrie der Ver-
stand vorwalten (nach Diesterweg, Wegweiser, 2. Auflage,
2. Teil, S. 188 ff.). Allein mit Körpern begann man nicht,
sondern dem bis zur Karikatur getriebenen Elementarisieren
gemäß mit dem Punkt. Darauf ging man zu Linien über
und verlor sich in zahl- und ziellose Kombinationen, End-
lich kam man zu Flächen; von Körpern war aber in. der
bekannten Schmidschen Formenlehre, der Vorläuferin So
vieler anderen, so gut wie nicht die Rede.“