Full text: Die Erziehung der Anschauung

/. G. Graßmann. K. vv. Raumer. W. Harnisch. 31 
Auf Raumer fußte W. Harnisch in seinem Buche 
Die Raumlehre oder die Meßkunst, gewöhnlich Geometrie 
genannt (Breslau 1821). Harnisch sagt schon auf dem Titel- 
blatt, daß er in seinem Lehrbuch gleichzeitig Wissenschaft 
und Leben berücksichtigt habe. Von ihm werden wirkliche 
Körper dem Unterricht zugrunde gelegt; der Lehrer fragt 
zuerst nach dem Namen von allerlei Gegenständen in der 
Umgebung der Kinder, bringt darauf allmählich einen Kör- 
per nach dem anderen vor und lenkt die Aufmerksamkeit 
der Kinder auf die Form dieser Körper. Die Grundkörper 
werden im Modell ausgeführt, an der Hand dieser Körper 
wird die Zeichnung der einfachsten Figuren versucht, die 
ebenen Figuren werden darauf wieder in der Reihenfolge 
durchgenommen, daß die regelmäßigen voranstehen, aber 
mit den Dreiecken begonnen wird, dann kommen die Vier- 
ecke mit den gut deutschen Benennungen: Geviert, Recht- 
eck, Raute, Schrägraute, halb regelmäßiges Viereck, un- 
regelmäßiges Viereck, endlich die regelmäßigen Vielecke. 
Die Grundrichtungen, von denen auch Pestalozzi ausge- 
gangen war, gewinnen bei Harnisch eine bestimmte Bedeu- 
tung, indem sie mit der Orientierung an der Erdoberfläche 
in Beziehung gesetzt werden. Auch hierin liegt vielleicht ein 
Einfluß von Raumer, Dann folgen die Konstruktionen, die 
dem technischen Zeichnen entstammen und fortan den 
eisernen Bestand aller Lehrbücher der Volksschulgeometrie 
bilden: die Zeichnung der Eilinie, Spirale, der Korbbögen usw. 
Bei Harnisch scheint mir im wesentlichen der Stand- 
punkt erreicht, auf dem die Volksschulgeometrie heute, 
trotz mancher höchst anerkennenswerter Ansätze zu neuem 
Aufschwung, im wesentlichen noch steht. Eine völlige 
Klärung ihrer Stellungnahme gegenüber der wissenschaft- 
lichen Geometrie ist immer noch nicht erreicht. Überall spukt 
noch das Gespenst des Euklid, die Erkenntnis, daß es außer 
dem euklidischen auch noch andere Wege zur Geometrie gibt, 
will noch immer nicht recht durchdringen, etwas von dem 
euklidischen Lehrgange schleicht sich doch immer ein und
	        
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