Full text: Charakterbegriff und Charaktererziehung

122 V, Die Willensstärke 
schen Motive, welche den unheimlichen Zug un- 
serer sinnlichen Interessen immer wieder durch- 
bricht und das Motiv in den Mittelpunkt des 
Bewußtseins bringt, bleibt dieser Kampf erfolg- 
los. Denn ob das bloße durch nichts bestimmte 
„Ich will‘ fähig ist, in immer wiederkehrenden 
Momenten die willkürliche Aufmerksamkeit aus- 
zulösen, das ist eine jener Fragen, die zu beant- 
worten wir zur Zeit außerstande sind. 
Fassen wir zusammen: Die eine Wurzel_der 
Willensstärke ist das angeborene Selbstentfal- 
tungsstreben der einzelnen Triebe oder psycho- 
physischen Funktionen. Man bezeichnet es auch 
als deren psychische Energie oder deren Spon- 
taneität. Die Erziehung kann dieser ursprüng- 
lichen Anlage wohl innerhalb gewisser Grenzen 
Richtung geben; aber sie kann sie nicht steigern, 
außer allenfalls durch Fürsorge um die Gesund- 
heit ihres Trägers. Eine zweite Wurzel liegt in 
jener gleichfalls im wesentlichen angeborenen 
Eigenschaft der Aufwühlbarkeit des Gemüts- 
grundes durch Vorstellungen und Ideen. Wir 
haben diese Eigenschaft später noch genauer zu 
betrachten. Als dritte Wurzel endlich werden wir 
einen stärkeren Grad der Ichzentrierung ansehen 
müssen, der in der Totalität der individuellen 
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