I. Kapitel: Das saeculum mathematicum. 115
Pendelgesetze fort, benutzte das Pendel zur Bestimmung der Beschleuni-
gung beim freien Fall, wollte die Länge des Sekundenpendels als Einheit
der Länge einführen, stellte die Wirkung der Zentrifugalkraft fest und
machte sich um die Verbesserung der Uhren durch die Einführung des
Pendels und der Unruhe verdient. Sein Hauptverdienst ist aber die Auf-
stellung des Prinzips der lebendigen Kräfte und die Einführung des Be-
griffs des Trägheitsmomentes, mit Hilfe dessen er das Problem des physi-
kalischen Pendels durch die Bestimmung seines Schwingungspunktes löste.
Bei ihm finden wir die ersten Andeutungen des Prinzips der Erhaltung der
Kraft, wie er denn schon auch die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile
richtig erkannt und nachdrücklich betont hat. °*)
Newton endlich bereicherte die Grundbegriffe der Mechanik und den
Begriff der Masse, die man vor ihm als mit dem Gewicht gleichbedeutend
angesehen hatte. Er erweiterte ferner den Kraftbegriff über die Erd-
schwere hinaus, stellte diese als einen besonderen Fall der allgemeinen
Massenanziehung hin, deren Gültigkeit im ganzen Weltraum sein Gravi-
tationsgesetz ausspricht. Den Prinzipien der Mechanik fügte er das von der
Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung hinzu. Er hob durch seine
1687 erschienene Philosophiae naturalis principia mathematica die Mecha-
nik auf solche Höhe, daß man jeden Fall der Statik oder Dynamik mathe-
matisch zu behandeln vermochte und seiner Lösung keine prinzipiellen
sondern nur noch mathematische Schwierigkeiten entgegenstanden. In
den von ihm aufgestellten mustergültigen Regeln zur Erforschung der
Natur finden wir zum ersten Male die allgemeinen Eigenschaften der Körper
zusammengestellt, die auch heutzutage noch, gleichsam als eine Art Ein-
leitung in die Physik, den Anfang der meisten Lehrbücher bilden und nir-
gends wohl weniger am Platze sind als zu Beginn eines physikalischen
Lehrkurses. Als Kraftmaß bediente sich Newton bei allen seinen Rech-
nungen der Bewegungsgröße mv, d.h. des Produktes aus der bewegten
Masse und ihrer Geschwindigkeit in der Zeiteinheit; erst Leibniz schlägt
statt dieses Maßes die Größe !/, mv? vor und führt für sie die Bezeichnung
„lebendige Kraft‘ ein.
Während das saeculum mathematicum einen seiner größten Triumphe
darin feiert, daß es sämtliche mechanischen Probleme auf mathematischem
Wege lösen lehrt, sind die gleichzeitigen Fortschritte auf dem Gebiete
der Wärmelehre nur gering. Die Ursache hiervon haben wir darin zu suchen,
daß es diesem ganzen Zeitraum noch an einem geeigneten genauen Meß-
instrumente für die Wärme fehlte, man also keine vergleichende Beobach-
tungen von beweiskräftiger Zuverlässigkeit machen konnte. Wohl hatten
die Professoren der Accademia del Cimento das Thermoskop Galileis
schon zu einer Art Thermometer gemacht, indem sie die Röhre, in
der die thermoskopische Flüssigkeit aufsteigt, vorher luftleer und das
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