I. Kapitel: Das saeculum mathematicum. 121
dagegen die Blutwärme als durch einen Gärungsprozeß entstanden er-
klärt, so stellte Willis 1671 fest, daß die Blutwärme durch eine Verbren-
nung entsteht. Beide wußten, daß durch die „Calcination‘‘, so nannte
man damals die Oxydation, das Gewicht der Metalle sich vermehre, und
bezeichneten die der Luft dabei entzogene Substanz als particulae nitro-
areae oder nitrosae. Boyle huldigte hinsichtlich der Atmung und Ver-
brennung denselben Ansichten, nur bezeichnete er es als zweifelhaft, daß
jener Bestandteil der Luft „salpeterartig‘“ sei. Während diese drei Forscher
in gerader Linie auf die Entdeckung des Sauerstoffs und die richtige Er-
klärung der Verbrennung hinarbeiteten, gab Becher, der in seiner „Großen
chymischen Concordantz‘“ schon die Brennbarkeit des Steinkohlengases
erwähnt, durch seine Lehre, daß in den brennbaren Körpern eine brenn-
bare Erde vorhanden sei, auf deren Vertreibung die Verbrennung beruhe,
den Anlaß zur „Phlogiston-Theorie‘“, die den ganzen folgenden Zeitraum
in der Entwicklungsgeschichte der Chemie beherrscht.
Wie die Physik, so wurde auch die Erdkunde zu einer selbständigen
Wissenschaft, deren eifrige Pflege die zahlreichen in allen Ländern Europas
erscheinenden Handbücher mit sorgfältigen Karten und die großen
Atlantenwerke von Janson und Blaen (1638) sowie von Sanson (1645)
beweisen. Auch die in Deutschland erscheinenden Handbücher, deren eine
Anzahl schon in deutscher Sprache abgefaßt ist, bekunden das große
Interesse, das die gebildeten Volksschichten der Erdkunde entgegen-
brachten. Philipp Clüver begründet durch seine 1624 erschienene Intro-
ductio in universam geographiam tam veterem quam novam die histo-
tische Erdkunde, Bernhard Varenius durch seine 1650 erschienene „Geo-
graphia generalis, in qua affectiones telluris explicantur‘“, in der zum ersten
Male die Gesetze der Physik auf die Erscheinungen an der Erdoberfläche
angewandt werden, die physikalische Erdkunde. Kircher gibt die ersten
Karten der Meeresströmungen (1665), Halley die ersten Windkarten
heraus (1686); hatte Varenius schon die Passatwinde richtig erklärt, so
gibt Halley eine richtige Erklärung der Monsune. 1634 setzt eine Ver-
fügung Königs Ludwig XIII. von Frankreich den Meridian von Ferro,
20° westl. von Paris, als Nullmeridian fest. Die Länderkunde erfährt
durch Entdeckungsreisen beträchtliche Erweiterungen. 1606 wird die
Torresstraße, 1610 werden die Hudsonbai-Länder, 6 Jahre später wird
die Baffinsbai entdeckt. 1642 umfährt Tasman das 1606 von den Hollän-
dern erreichte Australien und entdeckt Vandiemensland und Neuseeland.
Nachdem 1643 die Kurilen und Sachalin erreicht sind, 1645 das Ochotskische
Meer, umfährt 1646 Deschnew das Ostkap von Asien. 1660 entdecken Fran-
zosen das kanadische Seengebiet. Franzosen befahren den ganzen Mississippi
von Norden her (1673); rastlos ist man bemüht, die neu entdeckten Länder
topographisch aufzunehmen und der Erdbeschreibung einzuverleiben,