150 III. Abschnitt: Das siebzehnte Jahrhundert.
uns aber nicht der Vorstellung hingeben, daß die allerersten Anfänge
eines botanischen und zoologischen Unterrichts überhaupt nicht vor-
handen gewesen sınd. An den Anstalten, wo der Orbıs pictus in Gebrauch
war, wurden die Abbildungen der Pflanzen und Tiere auch den Schülern
gezeigt und Erläuterungen daran geknüpft, wenn es auch manchmal
zweifelhaft bleibt, ob dies Vorzeigen der Abbildungen wirklich das Ziel
hatte, den Schülern die Anfangsgründe eines botanischen und zoologischen
Wissens beizubringen, ob nicht vielmehr, wie bei Sturm, ein sprachliches
Ziel vorlag, die bessere Einprägung und das bessere Verständnis des latei-
nischen Wortes für das Tier oder die Pflanze. Von den Schulordnungen
tut nur die gothaische des Herzogs Ernst des Frommen (1642—1685)
eines naturwissenschaftlichen Unterrichts Erwähnung, und auch dies
nur für die Volksschulen. Der Verfasser derselben ist Reyher, ein be-
geisterter Verehrer des Comenius, der in seiner Schulordnung die Grund-
sätze der Didactica magna zu verwirklichen suchte. Als Lehrbuch sollte
ein kleines deutsches Büchlein von einem ungenannten Verfasser: „Kurzer
JInterricht von natürlichen Dingen, von etlichen Wissenschaften, von
geistlichen und weltlichen Landessachen, von etlichen nützlichen Haus-
tegeln‘‘ (erschienen 1656) zugrunde gelegt werden, das auch in Magdeburg
und an den Franckeschen Waisenhausschulen zu Halle in Gebrauch war
und das wir somit als das erste deutsche naturwissenschaftliche Schulbuch
anzusehen haben.®) Es sollte in der Hand des Lehrers sein, den Schülern
aber empfohlen und zum Abschreiben in die Hände gegeben werden. Sogar
über die Art der Verwendung im Unterricht war eine Vorschrift erlassen:
Die Paragraphen wurden einer nach dem andern von den Kindern so oft
als möglich gelesen, und, was vom Inhalt zu merken war, alle 14 Tage
wiederholt. Anschauungen sollten den Unterricht stützen, für die Pflanzen
wurde sogar das Trocknen und Aufkleben derselben auf Papier empfohlen:
die ersten Andeutungen über die Anlage von Herbarien im naturkund-
lichen Schulunterricht,
Inwieweit die Gothaische Schulordnung tatsächlich ausgeführt worden
ist, entzieht sich der Beurteilung. Allein es war damit für die Volksschulen
eine wichtige Anregung gegeben, die auch auf den Unterricht an den
höheren Schulen ihren Einfluß ausüben mußte, Als Ergebnis der Unter-
suchung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsbetriebes
im saeculum mathematicum können wir also feststellen, daß die Mathe-
matik fast an allen höheren Lehranstalten als obligatorisches Lehrfach
eingeführt war, an einigen derselben die Physik als Mathesis mixta auch
in den Unterricht hineingezogen wurde, vom chemischen Unterricht
hoch jede Spur fehlt, dagegen die allerersten Anfänge eines Unterrichts
in den beschreibenden Naturwissenschaften sich hier und da bemerklich
machen.