Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

174 IV. Abschnitt: Das achtzehnte Jahrhundert. 
Unterrichts und der Verbesserung seiner Methoden ihre rege Aufmerksam- 
keit zu. Keiner der führenden Geister unseres Volkes vermag sich diesen 
Fragen zu entziehen, alle arbeiten mehr oder weniger direkt oder indirekt 
an ihrer Lösung mit. 
Den Schlüssel zu dem Verständnis dieses für das 18, Jahrhundert so 
charakteristischen Vorgangs auf der ideologischen Bühne des menschlichen 
Lebens bilden die gleichzeitigen für die realen Lebensbedingungen der 
Menschheit maßgebenden wirtschaftlichen Zustände. Europa befand sich 
damals in den letzten Stadien des Übergangs von der niederen Stufe der 
Naturalwirtschaft zu der höheren kapitalistischen Wirtschaftsform, und 
dieser Übergang, der sich in England schon tatsächlich vollzogen hatte, 
machte seine Rückwirkung auf sozialem und politischem wie auf geistigem 
Gebiet unwiderstehlich geltend. Langsam, aber ehern und unerbittlich 
mußte sich dieser Übergangsprozeß in allen Staaten vollziehen, wenn diese 
anders ihre wirtschaftliche und damit auch ihre politische Selbständigkeit. 
wahren wollten. Die höhere Wirtschaftsform mit ihrer sich mehr und mehr 
differenzierenden Arbeitsteilung brachte aber die weitere Anforderung mit 
sich, umfassender als bisher für die Ausbildung der Fähigkeiten des mensch- 
lichen Geistes Sorge zu tragen. Aus dieser freilich mehr instinktiv gefühlten 
als klar erkannten ökonomischen Notwendigkeit heraus erklärt sich daher 
der Eifer, mit dem die Vertreter aller drei erwähnten Geistesrichtungen 
pädagogischen Bestrebungen zugetan waren, und aus ihr erklärt sich auch 
die Bereitwilligkeit, mit der die Wortführer dieser pädagogischen Strömung 
bei den Regenten, Stadtgemeinden und besitzenden Klassen Unterstützung 
fanden. Nur so wird es begreiflich, daß Francke seine ausgedehnten, 
segensreichen Erziehungsanstalten in Halle gründen konnte, daß der 
Heckerschen Realschule in Berlin von allen Seiten beträchtliche Geld- 
beträge zuflossen, daß Basedow auf seinen Agitationsreisen von Fürsten 
und vielen namhaften Privatpersonen so bedeutende Summen für die Aus- 
arbeitung seines Elementarwerks und für sein Philanthropin erhielt. 
Nur so auch wird es begreiflich, daß zwei in sittlicher Hinsicht so schroffe 
Gegensätze wie Rousseau und Pestalozzi sich in aufrichtigem Streben, der 
Menschheit zu dienen, wenn auch jeder in seiner Weise, mit der Lösung 
pädagogischer Fragen beschäftigten. 
Unter den im 18. Jahrhundert für die Einführung der Realien in den 
Unterricht der höheren Lehranstalten wirksamen Kräften ist in erster 
Linie der Pietismus zu nennen, dessen Ideen in dem bekannten Gründer 
des Halleschen Waisenhauses, August Hermann Francke (1663—1727), ihre 
Verkörperung fanden. Dieser verwirklichte seine pädagogischen Gedanken 
über die Gestaltung des Unterrichts in seinem Pädagogium zu Glaucha, 
das sich auch des besonderen Beifalls der beiden ersten preußischen Könige 
erfreute. So kam es, daß die während ihrer Regierungszeit neugegründeten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.