Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

Il. Kapitel: Unterricht im 18. Jahrhundert. 175 
Gymnasien Preußens gänzlich nach Franckeschen Prinzipien eingerichtet 
wurden, ja manche der alten sich nach diesen umwandelten. Der große 
Einfluß, den Francke hierdurch auf die Entwicklung des höheren Schul- 
wesens gewann, wurde noch dadurch vermehrt, daß von Halle eine große 
Anzahl von Lehrern ausging, die als Studenten unter Francke an einer 
seiner vielen Schulen pädagogisch vorgebildet waren und seine Unterrichts- 
prinzipien und Lehrmethoden nach allen Gegenden Deutschlands ver- 
oreiteten. 
Seine Ansichten über die Aufgaben und Ziele des Unterrichts in der 
Mathematik und den Naturwissenschaften hat Francke selbst nirgends 
ausführlich besprochen. Auf seine Veranlassung aber verfaßte der mit ihm 
befreundete Mathematiker Tschirnhauß eine Denkschrift, die 1700 im 
Druck erschien unter dem Titel: „Gründliche Anleitung zu nützlichen 
Wissenschaften, absonderlich zu der Mathesi und Physica, wie sie anitzo 
von den Belehrtesten abgehandelt werden‘. Was er hier in 20 „Positionen 
oder kurzen Aphorismen‘“ mitteilt, ist freilich von einer gründlichen An- 
leitung weit entfernt und enthält nach unserer heutigen Auffassung sehr 
viele Plattheiten, wie man sie kaum von dem geistreichen Erfinder der 
Methode, die Koeffizienten einer algebraischen Gleichung der Reihe nach 
zum Verschwinden zu bringen, erwartet hätte. Immerhin läßt Aph. 9 
deutlich erkennen, daß es ihm um die Beseitigung des verbalen Wissens, 
der bloßen „Schwätzkunst‘“, wie er die von den damaligen Gelehrten- 
schulen angestrebte „Eloquenz‘“ nennt, zu tun ist, und er an ihre Stelle 
die Beibringung eines realen Wissens setzen will. Hinsichtlich der Mathe- 
matik decken sich seine Anschauungen mit der in jener Zeit herrschenden 
Auffassung von dem praktischen Nutzen des mathematischen Unter- 
richts und der durch ihn bewirkten Schärfung des Verstandes, wie sie 
in den Vorreden der zahllosen Schriften des 18, Jahrhunderts über den 
Nutzen der Mathematik zum Ausdruck kam. Vollständiger und klarer 
als bei Tschirnhauß finden wir diese Gesichtspunkte in dem System der 
Elemente der Mathematik von Murhardt folgendermaßen zusammen- 
gestellt :°7) 
„Die Mathematik ist der Inbegriff vieler Wissenschaften, von denen 
schon jede einzelne von sehr großem Umfange ist, und enthält daher 
einen Schatz von Erkenntnissen, deren Wichtigkeit und Nutzbarkeit 
wohl keiner weitläufigen Schilderung bedarf. Ihr Einfluß auf die Befriedi- 
gung unserer wichtigsten Bedürfnisse und auf die Annehmlichkeiten und 
Bequemlichkeiten des menschlichen Lebens macht sie jeder kultivierten 
Nation achtungswürdig, und die Verbreitung ihrer Kenntnisse ist daher 
schon aus diesem Grunde reelle Beförderung des Menschenglücks.““ 
„Einem jeden Gelehrten ist aber ihre Kenntnis, ohne einmal auf die be- 
sonderen Vorteile zu sehen, die sie dem Theologen, Juristen, Arzneiver-
	        
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