Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

184 IV. Abschnitt: Das achtzehnte Jahrhundert. | 
männer über die Art des Betriebes der exakten Wissenschaften um die Mitte 
des 18. Jahrhunderts hegten. Ein großer Verehrer der Mathematik, sah 
er die gleichzeitigen Zustände auf Schulen und Universitäten noch als so 
bedenklich an, daß er sich für den Fortschritt der mathematischen Wissen- 
schaft wenig Gutes davon versprach und seinen Besorgnissen in der Pro- 
grammschrift: „Gedanken, wie dem künftigen Verfall der Mathematik 
vorzubeugen“ Ausdruck verlieh.®) Ihm ist die Mathematik die nützlichste, 
umfangreichste und gründlichste Wissenschaft, deren Pflege besonders 
wegen ihrer vielfachen Anwendungen für das Gedeihen der Menschheit 
unentbehrlich ist. Wenn er also auch in ihrer Schätzung ganz entschieden 
das Nützlichkeitsprinzip vertritt, so weiß er doch ebensosehr ihre Bedeutung 
für die Ausbildung logischer Denktätigkeit zu würdigen, weil durch sie 
„die Flüchtigkeit und Ausschweifung der Gedanken verbessert, der Ver- 
stand geschärffet, zum ordentlichen und glücklichen Denken angewöhnet 
werde.“ Die Art, wie sie augenblicklich auf den Universitäten betrieben 
werde, ist ihm viel zu oberflächlich und flößt ihm Bedenken ein, ob sie 
dabei nicht allmählich in Verfall geraten werde. Unter hundert Studenten 
seien nicht zehn, welche ihr Studium so eifrig betrieben, daß sie künftig 
Lehrer der Mathematik werden könnten. Die Schüler hätten es immer 
sehr eilig, zur Universität zu gehen, besuchten daher die oberste Schul- 
klasse nicht lange genug, um mit einem genügenden Grund in der Mathesis 
die Vorlesungen zu besuchen. Daher seien sie in diesen bloße Hörer — 
auditores, praetereaque nihil — ohne tieferes Interesse für Mathematik, 
und sie blieben schließlich ganz weg. Dazu käme noch, daß das’ Brot- 
studium vorwiege, die Mathematik aber immer noch als eine brotlose 
Kunst gelte und die Studenten daher wenig Zeit auf sie verwenden. Dies 
sei aber auch die Ursache, daß die Professoren ihren mathematischen 
Kursus, der eigentlich zwei Jahre dauern müsse, in einem halben Jahre 
beendigten; daher werde ihr Vortrag oberflächlich, uninteressant. Die 
Professoren müßten selbst gestehen, was für Hoffnungen sie sich von dem 
Wachstum der Mathematik unter den obwaltenden Umständen machen 
könnten. 
Als wichtigstes Mittel, das Studium der Mathematik zu heben, bezeich- 
net er einen gediegenen Unterricht in dieser Wissenschaft auf den Vor- 
bereitungsanstalten zur Universität. Wohl gibt er zu, daß man erfreulicher- 
weise überall bemüht sei, die Mathematik auf den Schulen besser zu pflegen, 
daß man von jedem Lehrer und Privatlehrer verlange, er solle in der 
Mathesi bewandert sein, aber man begnüge sich dann doch meist mit dem 
Abc der Mathematik. Wie ungenügend ihm der damalige Schulbetrieb. 
dieser Wissenschaft erscheint, charakterisiert er durch die rhetorische 
Frage: „Wieviel Schulen haben wir denn, auf denen die Mathematik So, 
wie sie soll getrieben werden, wirklich getrieben wird?‘“ Die Ursachen:
	        
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