Il. Kapitel: Unterricht im 18. Jahrhundert. 185
der im allgemeinen so geringfügigen Leistungen sucht er in folgenden Um-
ständen: 1. Weder der gewaltige Umfang noch der unendliche Nutzen
der Mathematik wird den Schülern hinreichend klargemacht; 2. Die Lernen-
den sind nicht in gehörigen Klassen eingeteilt, wodurch ein stufenweises
Fortschreiten unmöglich wird; 3. Es fehlt an einem geeigneten Schulbuch;
4. Die meisten Schulen haben keine Mittel zur Besoldung guter Lehrer
und zur Beschaffung von nötigem Anschauungsmaterial; 5. Es mangelt
an geeigneten Lehrkräften; 6. Die Lehrmethode ist äußerst mangelhaft.
Er entwickelt dann seine Vorschläge, wie der mathematische Unter-
richt am zweckmäßigsten einzurichten sei und wie demgemäß das Lehr-
buch beschaffen sein müsse. Er verteilt das gesamte mathematische
Pensum auf drei Klassen. Die Aufgabe der untersten Klasse ist eine vor-
bereitende, in ihr soll der Jugend der Hauptbegriff von dem Umfange
der mathematischen Wissenschaften beigebracht werden; dabei soll sie
sich in der Sprache der Mathematik üben und nach und nach in das An-
genehme und Praktische dieser Wissenschaft hineinkommen. Auf diese
Weise hofft er in ihr die Lust zu erregen, mehr über diese wichtige Wissen-
schaft zu erfahren, tiefer in ihre Geheimnisse einzudringen. Der erste
Teil des Lehrbuchs soll demgemäß eine übersichtliche Tabelle dessen
enthalten, was das Summarische, Notwendigste, Nützlichste, Begreiflichste
der Mathematik ausmacht. Dadurch erfährt der Schüler, daß die mathesis
pura eine reine Größenlehre ist, und daß diese Größen in der Arithmetik
Zahlen, in der Geometrie Linien, Winkel, Flächen und Körper, in der
Trigonometrie Dreiecke, in der Algebra Buchstaben sind. In der mathesis.
applicata lernt er nicht weniger als 15 Teile kennen: Architektur, Fortifi-
kation, Artillerie, mathematische Geographie, Astronomie, mathematische
Chronologie, Gnomonik, Optik, Katoptrik, Dioptrik, Perspektiv, Mechanik,
Hydrostatik, Aerometrie, Hydraulik. Nachdem er so einen ungefähren
Überblick erhalten hat, womit alle Teile der reinen und angewandten
Mathematik sich beschäftigen, gibt ihm eine ausführliche Tabelle jedes.
einzelnen Teils von den wichtigsten Errungenschaften auf jedem dieser
Gebiete Kunde, um ihn auf das vorzubereiten, worauf er in den beiden.
folgenden Klassen sein Nachdenken richten soll.
Die Aufgabe der zweiten Klasse ist es dann, lediglich die mathesis.
pura nach der genauen mathematischen Lehrart möglichst gründlich zu
betreiben und so die Fehler und Schwächen des menschlichen Verstandes.
zu entdecken und zu bessern. Dabei soll man vor allen Dingen „den rigo-
tem im Demonstrieren nicht vergessen‘, den Schülern von den Begriffen
der „congruentia, aequalitas, similitudo‘‘ das rechte Verständnis beibringen,
sie durch Erfinden von Beweisen und Lösen von Aufgaben zum selb-
ständigen Nachdenken anhalten, damit sie nicht Autoritäten nachbeten.
Theorie und Praxis müssen verbunden werden, um dadurch auf die mathesis.