186 IV. Abschnitt: Das achtzehnte Jahrhundert.
applicata vorzubereiten. Bemerkenswert ist, daß Hähn ein geschichtliches
Moment in diesen Kursus hineinbringt, indem er verlangt, man solle den
Schülern bei gewissen Problemen zeigen, wie in früheren Zeiten dieser
und jener die Lösung derselben angefaßt habe und wie man schließlich
zur eigentlichen Lösung gekommen sei.
Die mathesis applicata bildet das Pensum der obersten Klasse. Sie ist
ihm das Endziel, um dessentwillen die Arbeit der beiden unteren Klassen
geleistet wird, der Baum, von dem der Schüler die köstlichen Früchte
seiner durch die reine Mathematik gewonnenen besseren Einsicht pflücken
soll. Wieder stellt er es als nützlich hin, den Schülern stets etwas Ge-
schichtliches über die Entwicklung der behandelten Disziplin mitzuteilen.
Für die Handhabung des Unterrichts betont er namentlich das Prinzip
der Anschauung. Bei ihm treffen wir auch zum ersten Male den Versuch, die
Akustik in den Kreis der mathesis applicata, also der Physik, hineinzuziehen,
Energisch erklärt er sich gegen die frühere dogmatische Methode, daß
man dem Archimedes oder Sturm nachbete und alles, was sie bringen, als
„oracula‘* annehme., Experimentieren und neue Beweise für die von jenen
Männern mitgeteilten Wahrheiten finden wird als die Hauptaufgabe des
Unterrichts in der Physik bezeichnet. So dokumentiert sich in dieser
Schulschrift die früher betonte Wendung in der Entwicklung der Wissen-
schaft selber, wie wir denn bei Hähn auch der Bezeichnung „Experimental-
physik‘ begegnen. Er empfiehlt, von jeder Disziplin eine tabellarische
Übersicht zu geben, und daß er seine Materie beherrscht, zeigt die ein-
gehende Disponierung der - Hydraulik, die er als Muster einer solchen
tabellarischen Übersicht gibt.
Zur selben Zeit, als Hähn Inspektor der Heckerschen Realschule war
(1753—1759), wirkte an der Schule zu Kloster Bergen der spätere Nach-
folger Heckers, Silberschlag, als. Lehrer der Mathematik und Physik.
Über seine dortige Wirksamkeit als Physiklehrer hat er selber ausführliche
Nachricht in einem Buche hinterlassen, das er „Kloster Bergische Versuche‘‘
betitelt und das uns einen ebenso interessanten wie wertvollen Einblick
in die Tätigkeit eines Mannes gewährt, der vor 150 Jahren an einem Gym-
nasium als Lehrer der Physik wirkte und der nachher eine hervorragende
Rolle in der Entwicklung des Realschulwesens zu spielen berufen war.
Diese Versuche sind in den Jahren 1753—1762 angestellt, doch erst 1768,
als er Pfarrer in Stendal war, entschloß er sich, sie zu veröffentlichen,
„weil sie vielleicht zur mehreren Erkenntnis, näheren Erläuterung und
nützlichen Anwendung der Mathematik und Naturlehre beitragen könnten‘‘.
Er hoffte, daß die von ihm dabei gesammelten Erfahrungen beim Unter-
richt der Jugend nützlich sein könnten, war aber weit davon entfernt,
sie als Musterbeispiele von Unterrichtsmethoden hinzustellen. Er vergißt
in seiner Vorrede nicht, den bedeutenden Kostenpunkt hervorzuheben