Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

204 IV. Abschnitt: Das achtzehnte Jahrhundert. 
richt nach Basedows Methode durchaus nicht darnach angetan, um die 
Schüler zu naturwissenschaftlichem Denken zu erziehen. 
Da jedoch das Grundprinzip des Philanthropinismus wahre Menschen- 
bildung, sein Grundzug also durchaus realistisch war, da ferner zu Base- 
dows anfänglichen Mitarbeitern und Verehrern tüchtige Männer wie 
Campe, Stuve, Wolke, Salzmann gehörten, die begeisterte Pädagogen 
und von wahrem Feuereifer beseelt waren, in Tat und Schrift die Ver- 
wirklichung ihrer pädagogischen Ideen anzustreben, so ging von den 
Philanthropinisten eine bedeutende Anregung aus. Nach Aufgabe ihrer 
Tätigkeit in Dessau fanden sie in den verschiedensten Ländern neue Stätten 
der Wirksamkeit. Philanthropinistische Anstalten wurden in Maestlins 
(Graubünden), Heidesheim (Pfalz), in Hamburg durch Campe, in Schnepfen- 
tal durch Salzmann gegründet, und die letztgenannte Anstalt ist zu hoher 
Blüte gelangt, so daß sie 1884 das Fest ihres hundertjährigen Bestehens 
feiern konnte. Campe und Salzmann erkannten auch die Mängel, die dem 
naturwissenschaftlichen Unterricht am Dessauer Philanthropin noch an- 
hafteten. Sie sahen ein, daß der Schüler in direkte Berührung mit der 
Natur gebracht, nach Campes Ausdruck „mit der Natur handgemein‘‘ 
werden müsse, wenn der Unterricht in den Naturwissenschaften für die 
wahre. Menschenbildung erzieherischen Wert gewinnen soll. Dazu reicht 
das bloße Zeigen von Abbildungen der Natur und der in ihr lebenden 
Pflanzen und Tiere nicht aus; der Schüler muß durch eigene Tätigkeit 
in unmittelbaren Zusammenhang mit der Natur gebracht werden. Anlegen 
eines Gartens, Bebauen eines Stück Feldes, Anleiten zur Naturbeobachtung 
im Freien an lebenden Objekten in ihrer natürlichen Umgebung, Anlegen 
von Sammlungen werden zu wesentlichen Bestandteilen dieses Unterrichts 
gemacht. Auf die Beobachtung des einzelnen Objekts folgt dann die Ver- 
gleichung mehrerer Objekte, das Feststellen gemeinsamer Merkmale und 
darnach die Einordnung in Familien oder Klassen. Dabei beklagt sich 
Salzmann in seinem Ameisenbüchlein bitter darüber, wie sehr durch das 
Einprägen des Linneschen Systems der jugendliche Geist von der Be- 
schäftigung mit der Natur selbst abgehalten werde, wie wenig man durch 
die Einprägung der Merkmale der Klassen, Familien und Gattungen dieses 
Systems von dem eigentlich Wissenswerten, der Ernährung, der Fort- 
pflanzung, der Lebensgemeinschaft, dem Nutzen einer Pflanze erfährt. 
Durch Campe und Salzmann hat also der Philanthropinismus auch auf die 
Gestaltung des Unterrichts in den Naturwissenschaften tatsächlich be- 
fruchtend eingewirkt. 
Nicht nur nach Braunschweig (durch Campe), nach Sachsen und 
Thüringen (durch Salzmann), auch nach Preußen griff diese Bewegung 
hinüber, wo der Freiherr v. Rochow (1734—1805) und Reccard (1735— 1798) 
sogar in die Land- und Stadtschulen den Betrieb der Realien einführten
	        
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