Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

II. Kapitel: Unterricht unter dem Einfluß der staatlichen Verfügungen, 279 
fach so gediegen als möglich zu gestalten, alles Seichte aus ihm zu be- 
seitigen und die geistige Kraft durch unablässige Übung der Denktätigkeit, 
sorgsame Ausbildung der Denkfähigkeit zu stählen. Die Mathematik war 
als ein geistiges Zuchtmittel allerersten Ranges erkannt, und so wird 
sie neben Latein und Griechisch die dritte Säule der Gymnasialbildung, 
die alle Anfeindungen und Stürme, die sich im Laufe des Jahrhunderts 
gegen das Gymnasium gerichtet haben, unerschüttert überdauert. Der 
Physik und der Naturbeschreibung vermag der Neuhumanismus noch nicht 
sofort eine die allgemeine Geistesbildung fördernde Gestaltung des Unter- 
richts abzugewinnen; Sein auf die Vertiefung des Unterrichts hinzielendes 
Bestreben hat dennoch auch in diesen Fächern fruchtbringend gewirkt, 
vor allen Dingen die zu Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein übliche 
Lektion über gemeinnützige Kenntnisse aus dem Lehrplan der Schulen 
beseitigt, weil sie als „ein Aggregat von Notizen, historischer, natur- 
wissenschaftlicher, technischer und anderer Art, ihrer fragmentarischen 
Beschaffenheit wegen dem Geist des organischen Denkens und Wissens 
gerade entgegen Sind‘, 
Die vollständige Durchführung der Süvernschen Lehrpläne scheiterte 
an mehreren schwerwiegenden Umständen. Zunächst hatte Süvern, den 
Bedürfnissen der Zeit voraneilend, nicht genügend erwogen, ob die Er- 
reichung der von ihm gesteckten Lehrziele in der Mathematik und den 
Naturwissenschaften überhaupt mit der Bewältigung des großen altsprach- 
lichen Lehrstoffs vereinbar sei, und daher waren die meisten Wort- 
führer der neuhumanistischen Gymnasialpädagogik durchaus nicht mit 
einer so ausgedehnten Berücksichtigung der mathematisch-naturwissen- 
schaftlichen Lehrfächer einverstanden. Dieser Widerstand wäre vielleicht 
noch zu besiegen gewesen, wenn nicht andere unterrichtstechnische Schwie- 
rigkeiten einem So ausgedehnten Betriebe namentlich auch der Natur- 
wissenschaften entgegengestanden hätten. Erwägt man, daß 1800 in den 
Lehrplänen der anerkannt besten Gymnasien der Mathematikunterricht 
mit 28 bis 30, der Physikunterricht mit 4 oder höchstens 6 Stunden wöchent- 
lich vertreten ist, so muß der Sprung auf mehr als die doppelte Stunden- 
zahl, Mathematik 60, Physik 14 Stunden wöchentlich, von Anfang an 
als sehr bedenklich erscheinen. Der intensivere Betrieb verlangt mehr 
Lehrkräfte und reichlichere Lehrmittel; weder konnten diese so schnell 
beschafft, noch jene sofort ausgebildet werden, und so wird ein so plötz- 
liches Aufschnellen praktisch zur Unmöglichkeit. 
Angesichts solcher Schwierigkeiten sieht sich Süverns Nachfolger, Jo- 
hannes Schulze, der von 1818—1840 das Dezernat für das höhere Schul- 
wesen verwaltet, vor keine leichte Aufgabe gestellt, und wie man auch 
über seinen ausgeprägt philologischen Standpunkt urteilen mag, der Art 
und Weise, wie er dieser Aufgabe gerecht geworden ist, kann man seine
	        
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