I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
Der erste, der auf diese Kurven kam, war Platos Schüler Menächmos,
der zwar die Namen für die Kurven nicht aufgestellt hat, der jedoch ihre
punktweise Konstruktion, ihre Grundeigenschaften, sogar die Asymptoten
der Hyperbel kannte. Er zeigte, daß sich die Kante eines Würfels, der
doppelt so groß ist, wie ein gegebener, finden läßt, indem man den Schnitt-
punkt zweier Parabeln, oder auch den einer Parabel und einer Hyperbel
bestimmt. Jedoch kannte er nur die ebene Konstruktion dieser Kurven.
Ein jüngerer Platoniker, Aristäus (um 320), dagegen lehrte zuerst ihre
Entstehung als Schnitte einer Ebene mit dem Kreiskegel und schrieb
auch das erste Buch über die Kegelschnitte. Der platonischen Schule
gehörte auch jener Leo an, der zuerst auf die Notwendigkeit der Deter-
mination bei der Lösung geometrischer Aufgaben aufmerksam machte.
Wie sehr man nach Plato in der Akademie zu Athen bemüht war, in seinem
Geiste weiter zu arbeiten, beweisen die Worte, mit denen Platos zweiter
Nachfolger in der Leitung der Akademie, Xenokrates, jemand, der keine
genügenden geometrischen Vorkenntnisse besaß, von der Aufnahme in
die Akademie zurückwies: „Geh, du hast noch nicht die Handhaben zur
Philosophie!‘ 8)
Die bedeutende Anregung zur Pflege der Mathematik, die von Plato
ausging, mag diese ziemlich eingehende Beschäftigung mit ihm und seiner
Schule rechtfertigen. Ein Zeitgenosse Platos, der mit diesem auch während
seines Aufenthalts in Großgriechenland in Verkehr stand, war der Pytha-
goreer Archytas von Tarent (430—365), dessen Name unseren Schülern
meist nur durch die Horazode bekannt zu werden pflegt, die von seinem
Schiffbruch handelt. Er löste das delische Problem durch eine räum-
liche Konstruktion, die uns deutlich zeigt, daß er eine klare Vorstellung
von Zylinder- und Kegelflächen und den bei ihrer gegenseitigen Durch-
dringung auf ihrer Oberfläche entstehenden Kurven hatte. Er machte
sich um die Proportionslehre verdient und wandte zuerst die Geometrie
auf die Probleme der Mechanik an, wodurch er Platos Unwillen erregte.
In engem Zusammenhang mit Plato steht auch Eudoxus (390—337),
der eine kurze Zeit sogar Platos Schüler war und mit ihm zusammen
in Ägypten weilte. Auf ihn geht unsere heutige Lösung des goldenen
Schnitts zurück. Weit wichtiger ist jedoch, daß er der eigentliche Er-
finder der Exhaustionsmethode zur Ausmessung von Körpern ist, deren
Anwendung ihn z, B. zu dem Satz führte, daß der Rauminhalt eines Kegels
gleich dem dritten Teil eines Zylinders von gleicher Grundfläche und Höhe.
Er zog die doppelt gekrümmten Kurven in den Kreis der geometrischen
Untersuchung hinein, und seine Hippopeda ist jedenfalls nichts anderes
als unsere heutige Lemniskate.
In der Enzyklopädie des Aristoteles (384—9322) spielt die Mathematik
keine hervorragende Rolle; gleichwohl hat der große Stagirite, wie die von