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I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
nach ihm benannte Weltsystem, das anderthalb Jahrtausende die Vor-
stellungen der abendländischen Welt beherrscht hat und wirklich vom
geozentrischen Standpunkt aus eine befriedigende Erklärung der Be-
wegungserscheinungen liefert, so verwickelt allerdings diese Erklärung
auch war. Unter den Hilfsmitteln, die Ptolemäos bei seinen astronomi-
schen Beobachtungen anwandte, sei noch das parallaktische Lineal er-
wähnt, das aus einem drehbaren mit Dioptern zum Anvisieren versehenen
Lineal bestand, in dessen Rinne wieder ein Lineal verschiebbar war, das
eine Längeneinteilung hatte; das letztere diente zum Ablesen der Sehnen-
länge, die dem Winkel entsprach, den das Diopterlineal mit einem festen,
senkrecht. oder wagerecht aufstellbaren festen Stabe bildete, so daß man
den zugehörigen Winkel aus der Sehnentafel ablesen konnte.
Mit der Entwicklung der Astronomie ging die der Erdkunde Hand in
Hand; dieselben Männer, die sich um jene verdient gemacht haben, sind
auch eifrige Förderer der Erdkunde. Während Thales sich die Erde noch
als eine runde, rings vom Okeanos umflossene Scheibe vorstellte, rang sich
bei den Pythagoreern schon die Überzeugung durch, daß sie eine Kugel
sei. Einige unserer Beweise für ihre Kugelgestalt finden wir ja schon bei
Aristoteles. Eratosthenes verfaßte das erste wissenschaftliche Werk über
Geographie, das leider nur durch Bruchstücke, die wir bei Strabo finden,
uns erhalten geblieben ist. Jedenfalls finden wir schon die Dreiteilung der
Erdkunde in physikalische, mathematische und politische Geographie.
Während er sich nur auf die Angabe der Polhöhe, also der geographischen
Breite eines Ortes beschränkte, führte Hipparch die nach geographischer
Länge und Breite ein, wobei er den Meridian von Rhodos als Nullmeridian
wählte. Er ist auch der Erfinder der stereographischen und orthographi-
schen Kartenprojektion, von denen er die erstere für Abbildungen des
Himmelsgewölbes, die letztere für die Abbildung der Erdoberfläche ver-
wendete. Dagegen verwandte Ptolemäos für seine kartographischen Dar-
stellungen der Erdoberfläche die stereographische Projektionsart und gibt
auch eine Anleitung zur Herstellung solcher Karten. Seine „Geographie“
ist bis zum Ausgang des Mittelalters das grundlegende Lehrbuch dieser
Wissenschaft geblieben, in dem für die Bestimmung der geographischen
Länge der Nullmeridian durch die Kanarischen Inseln gelegt ist, die im
äußersten Westen der damals bekannten Welt gelegenen „glücklichen
Inseln“ des klassischen Altertums. Mehr als 5000 Orte hat Ptolemäos in
ihm nach Länge und Breite festgelegt, die letztere mit einer Genauigkeit,
daß sie für manche Punkte heute noch fast unverändert gültig ist.
Hinsichtlich der physischen Geographie und der Länderkunde hatte
Ptolemäos in Strabo (um 30 v. Chr.) einen bedeutenden Vorgänger, der
über den Einfluß der vulkanischen Kräfte auf die Gestaltung der Erd-
oberfläche, die Wirkung des Wassers, die Veränderung hinsichtlich seiner