I. Kapitel: Kenntnisse der Alten. . 25
Verteilung desselben, die Ursachen von Ebbe und Flut, die Natur der Ver-
steinerungen schon ziemlich richtige Anschauungen entwickelte. Die
Länderkunde hatte sich durch die Eroberungszüge Alexanders, durch die
von den Ptolemäern veranlaßten Entdeckungsreisen, durch die Handels-
fahrten der Karthager, die Seereisen des Pytheas aus Massilia, die allmäh-
liche Ausdehnung der römischen Herrschaft über die damals bekannte Welt
so erweitert, daß die Fülle des von Strabo und Ptolemäos gebrachten Mate-
rials erstaunlich ist. Während jener die europäischen Länder eingehender
beschreibt, bringt Ptolemäos einen eingehenderen Bericht über die asiati-
schen Länder, namentlich Indien, sowie auch über die germanischen
Länder jenseits des Rheins und der Donau.
Astronomische und geographische Kenntnisse waren schon zur Zeit
Cäsars allgemein unter den Gebildeten verbreitet, dieser selbst ist der Ver-
fasser einer Schrift de astris, und auf seine Vorliebe für solche Studien
ist es wohl mit zurückzuführen, daß er sich die Kalenderverbesserung an-
gelegen sein ließ. Mit der Einführung des julianischen Kalenders, der mit
dem Jahre 45 v. Chr. beginnt, während das Jahr 46 ein „annus confusionis“
von 444 Tagen bildete, um den Fehler des alten römischen Kalenders aus-
zugleichen, hat Cäsar eine bedeutende Kulturtat vollbracht. Der ältere
Plinius (23—79 v. Chr.), der uns in den 37 Büchern seiner „Naturgeschichte‘‘
die naturwissenschaftlichen Kenntnisse seiner Zeit gesammelt hat, neben
vielen gedankenlos nachgeschriebenen und ganz kritiklos wiedergegebenen
Ungereimtheiten eine Fülle wertvollen Materials überliefert, spricht von
vielen erdkundlichen und astronomischen Tatsachen, z. B. von der Kugel-
gestalt der Erde, als von einem Gemeingut aller Gebildeten, so daß es fast
unbegreiflich ist, wie dieses geistige Gut im Mittelalter gänzlich verloren
gehen konnte,
Ein Kennzeichen des hellenischen Geistes ist es, daß er von Anfang an,
Wo er sich mit wissenschaftlichen Problemen zu beschäftigen beginnt, die
Frage nach der letzten Ursache aller Dinge zu beantworten trachtet. Frei-
lich ist das empirisch gewonnene Tatsachenmaterial noch nicht geeignet, um
darauf schon allgemeine richtige Induktionen zu gründen, so daß die
griechische Naturphilosophie in viele vage Spekulationen ausartet, dennoch
finden wir bei den alten griechischen Naturphilosophen mit voller Schärfe
zwei Sätze ausgesprochen, die auch jetzt noch die Grundlage unserer Er-
klärung der physikalischen und chemischen Erscheinungen bilden: der
Satz von der Erhaltung des Stoffes und die atomistische Hypothese. Schon
Empedokles und nach ihm Anaxagoras (500—428 v. Chr.) stellten den
Satz auf, daß sich die Menge des Stoffes im Weltall weder mehren noch
mindern kann. Aus dem Nichts kann das Weltall nicht entstanden sein;
nach Anaxagoras hat eine besondere, freiwaltende Intelligenz, der vos,
die Urbestandteile in Wirbelbewegung versetzt, infolge deren sich die Ele-