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I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
In der technischen Anwendung der als richtig erkannten physikalischen
Gesetze war man um die Zeit jener drei alexandrinischen Physiker sehr weit
vorgeschritten. Die mannigfachen Kriegsmaschinen, Katapulte und Bal-
listen, der Gebrauch der Wasserwage, der zur Herstellung einer Ebene die-
nende Chorobates, die Anwendung der Schraube ohne Ende zu Zählwerken,
die zum Messen des von Wagen zurückgelegten Weges dienen, wie z. B.
beim Hodometer, die antiken Bühneneinrichtungen legen hiervon Zeugnis
ab. In Herons „Pneumatik‘“ sowie in seiner erst seit 1894 bekannten
„Mechanik“ finden wir alle diese Verwendungen beschrieben. Die letztere
verdient unser besonderes Interesse, weil er in ihr eine Beschreibung und
eine Theorie der fünf „mechanischen Potenzen‘‘ Hebel, Flaschenzug,
Wellrad, Keil und Schraube bringt. Hier finden wir die „goldene Regel“
der Mechanik zuerst ausgesprochen. Die schiefe Ebene kennt Heron noch
nicht als einfache Maschine, und so gelingt ihm auch nicht, beim Keil und
bei der Schraube das richtige Verhältnis von Kraft und Last zu erkennen.
In der langen römischen Kaiserzeit wurden die mechanischen Kennt-
nisse nur wenig erweitert. Daß. sie nicht brach lagen, beweist die in jene
Zeit fallende Erfindung der römischen Schnellwage; vor allen Dingen aber
zeigen es ihre kriegstechnischen Bauten, ihre Heerstraßen, ihre Aquädukte,
ihre Wasserleitungen, ihre Brückenbauten, ihr Schiffbau. Die zehn Bücher
über die Architektur des Vitruvius Pollio, der unter Augustus das Bau-
wesen unter sich hatte, die Schrift „de aquaeductibus Romae‘‘ des Fron-
tinus, der unter Nerva mit der Aufsicht über die Wasserleitungen betraut
wurde, geben uns Nachricht von der Technik und Ingenieurkunst jener
Zeit. Letzterer macht die Bemerkung, daß die Menge des ausströmenden
Wassers von der Höhe des Niveaus über der Ausflußöffnung abhängt. In
die römische Kaiserzeit fällt auch die Erfindung des Aräometers, das wir
vom Bischof Synesios von Ptolemais zum ersten Male beschrieben finden.
Er nennt es Baryllium und gibt an, daß es zu medizinischen Zwecken
sowie zur Bestimmung des spezifischen Gewichts von Flüssigkeiten diente,
30 daß also dieser Begriff schon vor Synesios entwickelt gewesen sein muß.
In der Akustik hatten schon die Pythagoreer die Abhängigkeit der Ton-
höhe von der Länge der Saite richtig festgestellt; zur Untersuchung dieser
Abhängigkeit diente ihnen das Monochord, das daher wohl mit Recht als
der älteste physikalische Apparat bezeichnet werden darf. Aristoteles be-
seitigte den Irrtum, nach welchem ein Ton dadurch entstehen sollte, daß
der Luft eine gewisse Form eingedrückt werde, sondern führte die Ent-
stehung des Schalls darauf zurück, daß die Luft in eine zitternde Bewegung
gesetzt werde, hatte auch über die Ausbreitung des Schalles ziemlich
richtige Vorstellungen. Jedoch machte er die Vorstellungen über die Vor-
gänge beim Schall durch den Zusatz wieder unklar und verworren, daß die
Luft selbst schallos sei, wegen der leichten Verschiebbarkeit ihrer Teilchen.