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IV. Kapitel: Unterricht im Mittelalter.
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der Cosinussatz der sphärischen Trigonometrie, die wichtigste Bereiche-
rung dieser Disziplin durch Regiomontan.
{in Nürnberg, wo Regiomontan von 1471—1475 seinen Wohnsitz hatte,
erbaute ihm ein reicher Kaufherr Walther eine Sternwarte, die erste, die
überhaupt in Deutschland errichtet worden ist, und stattete sie aufs frei-
gebigste mit Astrolabien, Armillarsphären und anderen astronomischen
Werkzeugen aus. Fast um dieselbe Zeit entstand in Nürnberg die erste
Druckerei, in der Folge eine der bedeutendsten ganz Deutschlands, und
die in ihrer Offizin gedruckten Ephemeriden brachte der Nürnberger
Behaim nach Portugal, wo Pedro Nunez von Coimbra die Nautik zuerst
auf eine wissenschaftliche Grundlage stellte und die Ablesung an astro-
nomischen Instrumenten durch die Erfindung des Nonius verbesserte.
So wurden die Ephemeriden den seefahrenden Nationen bekannt, und
die Rechnungen, die Regiomontan in seiner stillen Gelehrtenstube zu
Nürnberg vollendete, halfen später Diaz, Kolumbus, Vespucci und Vasco da
Gama bei ihren kühnen Entdeckungsfahrten. So beginnt am Ausgang des
Mittelalters die kulturfördernde Arbeit des Menschengeistes ihre Fäden von
Land zu Land zu zıehen, mit ihrem unsichtbaren Netz alle Nationen zu
umspannen: eine neue Zeit bricht herein, in der die Buchdruckerkunst
das Wissen zu einem unzerstörbaren, internationalen Gemeingut aller
Völker macht.
IV. Kapitel.
Der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht im Mittelalter.
Ex scholis omnis nostra salus.
Wahlspruch der Benediktiner.
Die Erhaltung der Schriftwerke des Altertums und die Ausbreitung
der Bildung im christlichen Abendland wurde im Mittelalter die Aufgabe
der Klöster. Freilich schrieb die Ordensregel weder den Benediktinern
noch den Prämonstratensern und Zisterziensern diese Tätigkeit direkt
vor, doch wurde die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Dingen, Sam-
meln und Abschreiben alter Handschriften, sowie die Unterweisung in
den Anfangsgründen alles Wissens seit Cassiodor bei den Benediktinern
zur heiligen Tradition, und, ihrem Beispiel folgend, sorgten auch die anderen
Orden für die Einrichtung von Klosterschulen. Das Ziel dieser Schulen
war, Kleriker heranzubilden, und der Unterricht in ihnen stand so sehr
unter der Herrschaft dieses Zieles, daß das Unterrichtswesen des Mittel-
alters von vornherein in scharfen Gegensatz zu dem des klassischen
Altertums tritt. Das alte griechische Erziehungsideal der Ausbildung
aller Kräfte des Leibes und der Seele, um so in der heranwachsen-
den Jugend tüchtige Staatsbürger zu erziehen, steht der Tendenz des
mittelalterlichen Unterrichts, tüchtige Geistliche heranzubilden und so