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I. Abschnitt: Altertum und Mittelalter.
mehr aus, es begann eine äußere Lostrennung ‚der schola ’exterior, die
auch deswegen nicht ungern gesehen wurde, weil man den störenden Ein-
fluß der weltlichen Studien auf das Mönchsleben fürchtete. So erwuchsen
in Bologna, Paris und Cambridge aus den Klosterschülen heraus, räumlich
von ihnen getrennt aber doch unter der geistlichen Oberaufsicht eines
Kanzlers stehend, neue, erweiterte höhere Bildungsanstalten, die den
Namen studium generale oder universitas erhielten. Ein besonderes
Gründungsjahr 1äßt sich für keine der drei Universitäten, ebensowenig wie
für die Oxfords, angeben. Jedenfalls waren die vier ältesten Universitäten
Europas Bologna, Paris, Cambridge und Oxford schon in der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts als solche vorhanden.‘ Im 13. Jahrhundert
machte sich das Bedürfnis nach mehr Universitäten fühlbar, und so ent-
stehen in Italien die Universitäten zu Padua (1222), Neapel (1224), Salerno
(12057), Pavia und viele andere, in Frankreich Orleans (1220?), Toulouse
(1228), in Spanien Salamanca (1250), Coimbra (1265?). Deutschland folgt
im 14. Jahrhundert mit Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1386), Köln
(1388), Erfurt (1392), im 15. Jahrhundert mit Leipzig (1409), Rostock (1419),
Greifswald (1456), Trier (1457), Basel (1459), Ingolstadt (1472), Tübingen
(1477) und Mainz (1477). Alle diese werden direkt als Universitäten ge-
gründet, erhalten ihre Stiftungsurkunden und Privilegien von den Landes-
fürsten und werden vom Papste bestätigt. Im ganzen Mittelalter unter-
stehen die Universitäten der Oberaufsicht der Kirche, wird auch das Lehr-
amt an ihnen fast ausschließlich von Geistlichen verwaltet. Mit dem Auf-
blühen der Universitäten beginnt die Bedeutung der Klosterschulen zu
sinken; an den neuen Bildungszentren übernimmt die facultas artium den
Unterricht im Trivium und Quadrivium; diese Artistenfakultät, die jeder
Student erst zu durchlaufen hatte, ehe er sich juristischen, medizinischen
oder theologischen Studien zuwenden konnte, vertritt an den mittelalter-
lichen Universitäten unsere heutigen Vorbereitungsanstalten, und das
damalige Bakkalariatsexamen entspricht dem jetzigen Abiturienten-
examen. Dies macht es unerläßlich, den Betrieb der Mathematik und
Naturwissenschaften auf den mittelalterlichen. Universitäten kurz zu
charakterisieren.
In den ältesten außerdeutschen Universitäten kann im 13. Jahrhundert
das in den Vorlesungen über das Quadrivium Gebotene sich kaum von dem
unterschieden haben, was in den Klosterschulen behandelt wurde. Wir
besitzen. darüber keine zuverlässigen Nachrichten.‘ Wohl heißt es bei der
Gründung der Universität Neapel durch Friedrich Il., daß auch ein‘ Pro-
fessor der Physik angestellt worden ist, wir erfahren sogar seine Besoldung,
20 Unzen Gold zur Zeit Karls v. Anjou, allein wir wissen nichts über
den. eigentlichen Inhalt‘ seiner Vorlesungen. Aller Wahrscheinlichkeit
nach hatte er über. die Physik des Aristoteles zu lesen, dessen Schriften